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Bau der Superlative "Goldener Irrsinn": Hunderte neue Fotos geben Einblick in Putins Palast

Der Palast von Wladimir Putin aus der Luft
Der Palast von Wladimir Putin aus der Luft an der Küste des Schwarzen Meeres 
© FBK
Er ist 39 Mal so groß wie Monaco, wird vom Geheimdienst FSB bewacht und liegt in einer Flugverbotszone: Wladimir Putins Palast an der Küste des Schwarzen Meeres. Auch wenn der Protzbau aktuell einer Baustelle gleicht, zeugen hunderte Fotoaufnahmen von der einstigen Pracht. 

Vor einem Jahr veröffentlichten Alexej Nawalny und sein Team eine der größten und wichtigsten Enthüllungen, die dem Anti-Korruptionsfond FBK in seiner Geschichte gelungen ist. In einem zweistündigen Film führte der Oppositionspolitiker durch die Hallen eines Palasts, der an der Küste des Schwarzen Meeres erbaut wurde – für keinen anderen als Wladimir Putin

Damals rekonstruierte Nawalnys Team anhand von detaillierten Bauplänen, Einkaufslisten, Möbelkatalogen, Lieferantenverzeichnissen und alten Fotoaufnahmen das ursprüngliche Interieur des riesigen Anwesens in der Nähe des Orts Gelendschiks. Der Film war Nawalnys großer Schlag gegen Putin, der kurz nach seiner Festnahme erfolgte.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war von dem Glanz und Glorie auf dem Anwesen nicht mehr viel zu sehen. Ein massiver Schimmelbefall zwang die Erbauer zu einer Kernsanierung. Baugerüste und nackte Betonwände zierten statt Goldadler und Holzvertäfelungen zu diesem Zeitpunkt den Palast: Im russischen Staatsfernsehen führte man die endlosen grauen Korridore vor – in dem Versuch Nawalny Lügen zu strafen. Doch die geleakten Dokumente erlaubten eine Rekonstruktion der einstigen Pracht, die den Besitzer des offiziell größten Privathauses Russlands empfangen sollte. Wie nah die Computergrafiken der Realität kamen, zeigen nun neue Fotoaufnahmen

Am Donnerstag veröffentlichte das Team von Nawalny mehrere hundert Aufnahmen, die das Innere des Palasts zeigen, bevor er sich wieder in eine Baustelle verwandelt hat. "Wenn sie dachten, dass wir in dem Film in der Ausgestaltung der Innenräume übertrieben und den Bogen überspannt haben, täuschen Sie sich. Das Leben hat alle unsere Erwartungen, wie so oft, übertroffen", leiten die Nawalny-Mitstreiter Maria Pewtschich und Georgy Alburow ihre neue Veröffentlichung ein.

Gold wohin das Auge blickt 

In einigen Fällen entsprechen die Rekonstruktionen fast eins zu eins dem originalen Interieur. Etwa im Fall des sogenannten Lesezimmers, wie dieser Raum in den originalen Bauplänen bezeichnet wird.  

Links im Bild die Computer-Grafik des Nawalny-Teams, rechts eine Fotoaufnahme: Die Rekonstruktion des sogenannten Lesezimmers entspricht dem Original fast eins zu eins. 
Links im Bild die Computer-Grafik des Nawalny-Teams, rechts eine Fotoaufnahme: Die Rekonstruktion des sogenannten Lesezimmers entspricht dem Original fast eins zu eins. 
© FBK

Von den Fresken auf der Decke über das Muster des Marmorbodens bis hin zum vergoldeten Stuck und Kronleuchtern – alles stimmt überein. Die Sehnsucht nach der Zarenzeit ist bei Putin offenbar so groß, dass sein Lesezimmer verdächtig an den großen Thronsaal im Winterpalast in Sankt Petersburg erinnert. Auch dieser ist ganz in Weiß und Gold gehalten. Der doppelköpfige Adler, das offizielle Emblem und Wappen Russlands, ziert unzählige Male den Lesesaal. Dieses Motiv zieht durch die gesamte Anlage. 

Auch die Rekonstruktion des Hauptschlafzimmers sieht der Realität frappierend ähnlich. Die massiven Holzmöbel eines italienischen Luxus-Möbelbauers stehen genau da, wo sie laut dem Bauplan stehen sollten. Sogar die Tischlampe ist dieselbe. 

Das Hauptschlafzimmer des Palasts: links die Computer-Rekonstruktion, rechts eine Fotoaufnahme
Das Hauptschlafzimmer des Palasts: links die Computer-Rekonstruktion, rechts eine Fotoaufnahme
© FBK

Bei anderen Räumlichkeiten, die in den Plänen zum Palast mit weniger Details versehen waren, hat das Nawalny-Team den Hang des Besitzers zu Gold und Holztäfelungen allerdings unterschätzt. Vor allem die Ausgestaltung der sogenannten Shisha-Bar übertrifft die wildesten Fantasien: "Wir haben uns nach bestem Gewissen bemüht diesen Raum so geschmacklos wie möglich zu gestalten. [...] Doch diesen Aladdin-Tempel konnten wir uns schlicht nicht vorstellen", erklärt Pewtschich. "Wir haben schon an den Stil à la tausend und eine Nacht gedacht. Aber das?"

Was jedoch auf den Fotoaufnahmen und den Bauplänen exakt übereinstimmt, ist die generelle Anordnung der Möbel und Bauelemente: von der Platzierung der TV-Bildschirme bis hin zu der Position der Türrahmen und der Pole-Stange. Und auch hier hat übrigens der doppelköpfige Adler seinen Platz gefunden. 

Auf dem Bauplan des Palasts trägt dieser Raum den Namen "Shisha Bar". Doch hier gibt es noch andere Vergnügungen. Eine Pole-Stange auf einer kleinen Bühne gibt Aufschluss darüber, was der Besitzer hier noch genießen kann. 
Auf dem Bauplan des Palasts trägt dieser Raum den Namen "Shisha Bar". Doch hier gibt es noch andere Vergnügungen. Eine Pole-Stange auf einer kleinen Bühne gibt Aufschluss darüber, was der Besitzer hier noch genießen kann. 
© FBK

Vom Theater bis ins Badezimmer 

Wann genau die Aufnahmen entstanden sind, verrät das FBK-Team nicht. Auch die Quellen werden nicht genannt – zu ihrem Schutz vor möglicher Verfolgung. Unter diesem Link kann sich aber jeder die geleakten Fotos ansehen. Zu sehen ist unter anderem das Theater, der Pool, das Arbeitskabinett, der Weinkeller, das Speisezimmer oder auch das Badezimmer, das zum Hauptschlafzimmer gehört. 

Der pol des Anwesens
Der pol des Anwesens
© FBK

Ein interessantes Detail: Als die Rekonstruktion von Nawalny veröffentlicht wurde, monierten sich viele Kreml-Propagandisten über den im Badezimmer platzierten Sessel. Wozu bräuchte man einen Sessel gegenüber einer Toilettenschüssel? So der Tenor. Aber siehe da: Auf den Fotoaufnahmen ist tatsächlich ein Sessel im Hauptbadezimmer zu sehen. Genau da, wo er laut dem Bauplan sein sollte, und auch noch in genau der angegebenen Ausführung. 

Das Badezimmer, das zum Hauptschafzimmer des Palasts gehört
Das Badezimmer, das zum Hauptschafzimmer des Palasts gehört
© FBK

Restaurant-Komplex statt Orangerie 

Dem FBK-Team wurden auch weitere Baupläne zugespielt. Diese decken auf, was sich hinter den Wänden anderer Gebäude auf dem riesigen Grundstück verbirgt. So entpuppte sich der Komplex, der aufgrund seines bepflanzen Daches fälschlicherweise für eine Orangerie gehalten wurde, als eine Art Food-Court mit mehreren Restaurants, Bars, Terrassen, einem Rooftop-Pool und vielem mehr. 

Kleine Geschichte des Palasts für Wladimir Putin

Zum ersten Mal wurde die Existenz des Palasts schon im Jahr 2010 bekannt. Damals plauderte der Unternehmer und Vertraute Putins Sergej Kolesnikow aus dem Nähkästchen und veröffentlichte Verträge und andere Dokumente im Zusammenhang mit dem Bau. Das Projekt sei im Auftrag von Wladimir Putin vom Geschäftsmann Nikolai Schamalow entwickelt worden, erzählte Kolesnikow damals.

Die darauffolgende Empörung war aber so groß, dass der Kreml in aller Eile einen Verkauf abwickelte, an den Milliardär und Putin-Getreuen Alexander Ponomarenko. Er wolle ein Hotel aus dem Palast machen, verkündete dieser. Alles eine Finte. Elf Jahre später ist der Palast immer noch ein Domizil und kein Hotel.

Nawalny brachte den in Vergessenheit geratenen Palast im letzten Jahr wieder auf die Agenda. In einem zweistündigen Film rekonstruierte er nicht nur das imperialistische Interieur des Anwesens, sondern deckte auch das ausgeklügelte System auf, mit dem die Besitzverhältnisse verschleiert werden sollten. Unzählige Unterlagen der russischen Steuer, Bau- oder Zollbehörden, Jahresberichte der einzelnen Gesellschaften, auf welchen die einzelnen Bestandteile des Anwesens registriert sind, oder rechtliche Bevollmächtigungen belegen: Gesponsert wurde der Bau von einem speziellen Offshore-Fonds, an den Oligarchen und Freunde Putins "spenden".

Verwaltet werden das Anwesen und die dazugehörigen Weingüter sowie die Jakobsmuschelzucht ausschließlich von alten Freunden und Getreuen Putins. Im Zentrum des Netzes steht ein Mann namens Michail Schelomow. Der größte Verdienst seines Lebens ist wohl sein Verwandtschaftsgrad zum Kreml-Herrn. Er ist Putins Neffe zweiten Grades.

Offizielle Besitzer ändern sich nicht 

Und an diesem Konstrukt hat sich seit der Enthüllung nichts verändert. Obwohl der Kreml nach der Aufregung erklärt hatte, das ganze Anwesen gehöre dem Oligarchen und altem Freund Putins Arkadij Rotenberg. Er habe das Grundstück und den Palast bereits vor einigen Jahren erworben und plane ein "Apart-Hotel" daraus zu machen, erklärte dieser im vergangenen Jahr. Doch in den Dokumenten findet sich sein Name kein einziges Mal – bis heute. 

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