Man steht morgens vor dem Kleiderschrank und will schnell etwas anziehen – aber die Bluse ist nicht gebügelt. Oder man sucht ewig beim Einkaufen nach der passenden Hose zum Blazer, weil das eigentliche Modell nicht zur eigenen Figur passt. Mit diesen Problemen schlug sich die 26-jährige Amber in ihrem Job als Beraterin ständig herum. Ihre Lösung: Sie gründete selbst eine Modelabel. Ihr hoch gestecktes Ziel: Zusammen mit Meister-Schneiderin Valentina, die sie schon seit ihrer Kindheit kennt, will sie mit SI BEAU den Kleiderschrank von Frauen revolutionieren.
Für ihre Idee werden die beiden nun im Namen der Bundesregierung als "Kultur- und Kreativpiloten" ausgezeichnet. Kreative Gründerinnen, Selbstständige und Unternehmerinnen bekommen damit die Chance, an einem Mentorenprogramm teilzunehmen und sich weiter zu vernetzen. Im Interview mit NEON erzählen die Gründerinnen, wie es ist, plötzlich den gut bezahlten Job aufzugeben, und geben Tipps für weibliche Gründerinnen.
NEON: Ihr habt im November eure Modemarke SI BEAU (deutsch: so schön) gelauncht. Was ist das Besondere an eurer Kleidung?
Amber: Als ich nach meinem VWL- und Philosophie -Studium ein Praktikum im Investmentbanking gemacht habe, war ich quasi die einzige Frau im Team. Auch danach als Unternehmensberaterin ist repräsentative Kleidung sehr wichtig, aber es war gar nicht so einfach, funktionale und schöne Businessmode zu finden. Das wollte ich ändern. Der Großteil unserer Designs ist einfach zu waschen, bügelfrei und man kann sie im Büro, aber auch zum Dinner tragen. Ich brauche also nur noch einen Kleiderschrank und muss nicht Stunden beim Einkaufen damit verbringen, passende Teile zu finden, sondern kann mich auf wichtigere Dinge im Leben konzentrieren. Mit SI BEAU wollen wir einen Stil prägen, der Femininität und Stärke verbindet. Deshalb trägt jedes unserer Teile eine Illustration und ein Zitat der bekannten Philosophin und Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir, die auch Inspiration für den Namen der Marke war.
Valentina: Mir war es sehr wichtig, dass jedes einzelne Teil unserer Kollektion hochwertig verarbeitet und funktional im Alltag ist. Ich habe unsere Modelle alle selbst entworfen und durch viele Testings die Schnitte perfektioniert. Wir haben die Produkte dann ausgiebig getragen und so gesehen, was noch optimiert werden muss.
Mit den Anforderungen liegen eure Stücke eher in einem höheren Preissegment. Der Jumpsuit kostet zum Beispiel 200 Euro ...
Amber: Ja, das stimmt, unsere Teile sind ein Investment. Aber im besten Fall hat man den Blazer nicht nur ein Jahr, sondern die nächsten zehn und dafür sitzt er richtig gut und man fühlt sich wohl. Zudem ist die Kleidung in Europa produziert und wir verkaufen direkt ohne einen Zwischenhändler. Dadurch können wir hohe Qualität zu einem weitaus geringeren Preis als traditionelle Premiumhersteller anbieten.
Für die Gründung habt ihr beide eure festen Jobs aufgegeben. Wie fühlte sich das für euch an?
Amber: Für mich war es schon ein sehr großer Schritt. In meiner ganzen Laufbahn habe ich alles durchgezogen und wenig Risiko zugelassen. Nach meinem Studium habe ich direkt eine Festanstellung in der Beratung begonnen. Heute bin ich sehr glücklich mit der Entscheidung, aber zu Anfang habe ich mit mir gerungen, alle Sicherheiten aufzugeben. Und meine Oma fragt mich immer noch, warum ich "Lumpen" verkaufe, statt einen vernünftigen Job zu machen.
Valentina: Für mich war es ein bisschen leichter, da ich mich vorher schon mehr meinen eigenen Projekten gewidmet und Teilzeit gearbeitet habe. Nach meiner Ausbildung zur Maßschneiderin in Hamburg habe ich unter anderem bei Viktor&Rolf und Vivienne Westwood gearbeitet und schließlich noch meinen Meister in München gemacht. Nach etwa anderthalb Jahren als Schnittdirektrice in einer traditionellen Hemdenmanufaktur in München fehlte mir dann doch der kreative Teil und ich war mir sicher, dass SI BEAU der richtige Weg ist.
Es gründen immer noch deutlich weniger Frauen als Männer. Hattet ihr das Gefühl, als weibliche Gründerinnen anders behandelt zu werden?
Valentina: Nein, ich hatte wirklich nicht das Gefühl, dass es uns im Weg stand. Wir haben uns aber natürlich auch bewusst angeschaut, wer unsere Investoren sein könnten.
Amber: Ich hatte aber das Gefühl, dass es unter Gründerinnen mittlerweile ein sehr gutes Netzwerk gibt, um sich gegenseitig zu unterstützen. Und gerade weibliche Investorinnen waren sehr bemüht, uns zu helfen. Aber zum großen Teil saßen wir in den Gesprächen immer noch Männern gegenüber.
Frauen und Mode ist natürlich auch ein Klischee...
Amber: Dieses Vorurteil ist uns schon das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen, wobei auch die Männer immer an unserem Produkt interessiert waren. Aber wir mussten den meisten unser Konzept schon etwas anders erklären als einer Frau, weil viele das Problem erst nicht erkannt haben. Zudem stößt das Thema Fashion und E-Commerce gerade in Berlin nicht unbedingt auf Begeisterung. Dort ist eher Tech gefragt. Wir konnten aber meist dadurch überzeugen, dass wir einen klaren Plan verfolgen, wie wir eine selbst erlebte und validierte Marktlücke schließen.
Valentina: Unser Vorteil war natürlich, dass wir nicht nur Trends nachgehen, sondern quasi ein Gebrauchsgegenstand anbieten – unsere Kleidung soll nicht deine "Summer Romance" sondern dein "Life Companion" werden. Wir planen jedes Jahr zwei Kollektionen und wollen diese mit Limited Editions ergänzen. Wir wollen kein Fast-Fashion-Konzern werden.
Wie habt ihr euch denn euer Wissen als Unternehmerinnen angeeignet?
Amber: Für unsere Idee haben Valentina und ich beide schon gute Voraussetzungen mitgebracht: ich die Business-Erfahrung, Valentina die handwerklichen Fähigkeiten. Aber wir haben uns natürlich auch viel Expertise von außen geholt, zum Beispiel, um die Website zu erstellen. Und es ist gerade am Anfang ein ständiges Auf und Ab. An einem Tag geht man mit einem Strahlen ins Büro, am anderen fragt man sich, was man hier eigentlich macht. Zum Beispiel haben wir mal für mehrere tausend Euro hunderte Meter von einem Stoff bestellt, den wir dann doch nicht verwenden konnten. Das ist dann schon ein hartes Learning.
Valentina: Für mich war das letzte Jahr wie eine Art Studium, ich habe sehr viel Neues, vor allem im Bereich Business gelernt. Besonders geholfen hat mir, mich mit anderen Gründern und Gründerinnen auszutauschen und einfach immer nachzufragen, wenn man sich irgendwo nicht ganz sicher war.
Ihr habt euer Unternehmen im November 2018 gegründet und seid ein Jahr später auf den Markt gegangen. Wie habt ihr in der Zwischenzeit Geld verdient?
Amber: Wir haben uns ein Budget gesetzt, uns aber monatlich nur sehr wenig ausgezahlt - und das auch immer noch. Zudem haben wir einen staatlichen Gründerzuschuss bekommen, um den man sich als Startup bewerben kann und haben zwei Business Angel mit ins Boot geholt. Das sind Investoren, die sich finanziell am Unternehmen beteiligen und auch Know-how als Unternehmer einbringen. Die größte Hürde war eigentlich, dass alles doch deutlich länger gedauert hat, als wir es mal geplant hatten. Am Anfang dachten wir, wir sind in drei Monaten mit unserem Produkt auf dem Markt. Aber vor allem das Produkt Development und Sourcing hat doch deutlich länger gedauert.
Habt ihr Tipps für Gründerinnen?
Amber: Mein Tipp wäre auf jeden Fall, sich Vorbilder zu suchen, die man toll findet und an deren Werdegang man sich orientieren oder die man vielleicht sogar fragen kann, wie sie ihr Business organisieren. Außerdem hilft es, sich eine Mentorin oder einen Mentor zu suchen, der schon Erfahrung hat und einen unterstützen kann. Von der Expertise anderer Menschen zu lernen, bringt einen extrem weiter. Wichtig ist auch, sich nicht von der eigenen Idee abbringen zu lassen. Natürlich muss man sein Modell gut prüfen, aber es wird immer Menschen geben, die die eigene Idee blöd finden und einen nicht unterstützen wollen.
Valentina: Ich würde jedem raten, sich ein Netzwerk aufzubauen. Das geht schneller und leichter, als man denkt. Man kann zum Beispiel auf Netzwerktreffen gehen oder auch einfach auf thematisch passende Veranstaltungen. Und ganz wichtig ist es auch, dort und im eigenen Umfeld viel über die eigene Idee zu sprechen. So kommt man mit Menschen in Kontakt, die einem vielleicht helfen können.