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Digitale Nomaden Vier-Stunden-Tag vom Strand aus: So hat Svenja ihren Arbeitsalltag umgekrempelt

Digitale Nomaden Neues Arbeiten
Digitale Nomaden brauchen kein Büro, sondern nur einen Internetzugang für ihre Arbeit.
© Getty Images
Vor drei Monaten verkaufte Svenja ihre Möbel, packte ihren Laptop und machte sich selbstständig. Nun arbeitet die 29-Jährige, wo immer sie will – und zwar am liebsten am Strand. NEON hat sie erzählt, wie das Leben als Digitale Nomadin funktioniert.

Wenn in Deutschland die Ersten den PC aufklappen, die Mails checken und beim Kaffee mit den Kollegen die Morgenmüdigkeit bejammern, sitzt Svenja am Strand. Die 29-Jährige ist zwar auch Teil der deutschen Arbeitswoche, aber sie lebt nicht in und mit ihrem Rhythmus. Denn die studierte Innenarchitektin will sich nichts mehr vorgeben lassen – nicht von einem Unternehmen und schon gar nicht von der Gesellschaft.

Seit einigen Monaten ist die Münsteranerin Digitale Nomadin. Und arbeitet einfach immer dort, wo sie Zugang zum Internet hat. Aktuell erledigt sie die Büroorganisation für unterschiedliche Kunden: Sie plant Termine, bucht Flüge und gestaltet Websites; sie ist digitale Assistentin. Ein fester Arbeitsplatz und feste Arbeitszeiten gehören für Svenja damit der Vergangenheit an, nur ihr Laptop begleitet sie auf Schritt und Tritt. Vorher hat sie in Stuttgart ihren Job als Projektmanagerin in einem Architekturbüro gekündigt, ihre Möbel und ihre Kleidung verkauft und ein One-Way-Ticket nach Bali gebucht. "Nach der Arbeit hetzt du zum Einkaufen, dann zum Sport und am nächsten Tag geht alles wieder von vorn los", beschreibt die 29-Jährige ihren Alltag von früher, als sie mit NEON über WhatsApp telefoniert. Sie sitzt in einem Hostel in Myanmar.

Asien – Land der Digitalen Nomaden

Wie sie zieht es unzählige Digitale Nomaden vor allem an die Strände Asiens. Auf der indonesischen Insel Bali hat sich in den letzten Jahren ein wahres Paradies für die Freelancer entwickelt. Die Modern-Work-Hauptstadt der Kleinunternehmer ist Ubud, eine kleine Stadt im Osten der Insel. Zwischen Reisfeldern, Schluchten und dichtem Dschungel finden sich Coworking-Spaces, Cafés und Hostels, die die perfekte Infrastruktur für das Leben und Arbeiten hinter dem Laptop bieten: Einen Arbeitsplatz im Stunden-, Wochen- oder Monatspaket, Internet und oftmals Strandnähe. Hier trifft man Gleichgesinnte. Häufig designen Digitale Nomaden Websites, bieten IT-Support an oder schreiben Texte für Online-Magazine. Aufgaben, die man online und von überall erledigen kann. Kontakt zu ihren Kunden halten sie über Skype oder WhatsApp-Call. "Ich denke, dass viele Berufe langfristig immer ortsunabhängiger werden", sagt Svenja. Schließlich sei es für Selbstständige oder Gründer nicht immer möglich, Büroräume zu mieten. Die Zukunft der Arbeit sitzt für die 29-Jährige nicht hinter dem Schreibtisch und im Großraumbüro, sondern da, wo der Einzelne glücklich ist.

Digitale Nomaden Neues Arbeiten
Die 29-jährige Svenja hat sich als digitale Assistentin selbstständig gemacht. Zur Zeit lebt und arbeitet sie hauptsächlich auf Bali. 
© privat

Während in Deutschland laut Zahlen des Arbeitsministeriums gerade einmal knapp 20 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten und die Politik über ein Recht auf Homeoffice diskutiert, wünschen sich über die Hälfte der Arbeitnehmer in allen Generationen mehr Flexibilität und moderne Arbeitsmodelle, wie eine aktuelle Studie von "Airbnb for Work" zeigt. 83 Prozent der Befragten sind der Überzeugung, dass sie im Home Office genauso produktiv sind, wie im Büro. Und da ist noch mehr als die Frage der Produktivität – auf der Suche nach Freiheit, Abenteuer und Lebensglück lassen immer mehr Menschen die klassische 40-Stunden-Woche hinter sich.

Deadlines statt Lebensglück

Svenja ist in der Straßenbahn klar geworden, dass ein klassisches Arbeitsmodell mit Acht-Stunden-Tagen auf dem Schreibtischstuhl, wie es in Deutschland immer noch sehr häufig vorkommt, für sie so nicht funktioniert. "Jeden Tag in der Bahn habe ich die gleichen Häuser, die gleichen Straßen gesehen – das war das Schlimmste für mich", resümiert sie heute. Doch bis dahin überwog vor allem der Wunsch nach Sicherheit. Nach dem Abitur machte sie ihren Bachelor in Innenarchitektur, nach dem ersten Ausflug ins Berufsleben folgte der Master, aber richtig glücklich war sie schon damals nicht. "Bei Innenarchitektur denken immer alle, man richtet Räume ein und setzt tolle Visionen um", sagt die 29-Jährige. Manchmal sei dies auch so, aber der Großteil ihres Jobs sei Projektplanung und das Einhalten von Deadlines gewesen.

Dann kam das Angebot für einen aussichtsreichen Job als Projektmanagerin. "So eine Stelle bekomme ich nie wieder, dachte ich – und das direkt nach dem Studium". Doch es gab kaum Erfolgserlebnisse. "Irgendwann habe ich nur noch das Gefühl gehabt, Probleme zu lösen. Kaum war eins aus der Welt geschafft, kam schon das nächste." So wollte sie nicht weitermachen und recherchierte im Internet. "Wenn du anfängst, dich zu informieren, findest du so viele positive Erfahrungen von Aussteigern", sagt sie immer noch merklich begeistert.

Mit der Kokosnuss am Strand

Heute arbeitet Svenja vielleicht vier Stunden am Tag. "Morgens gehe ich erst einmal an den Strand, schwimme, mache Yoga. Wenn Deutschland dann am Nachmittag erwacht, erledige ich meine Aufgaben und kann dann wieder den Sonnenuntergang am Strand schauen."  Auch wenn familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und Homeoffice in Deutschland mittlerweile in nahezu jeder Stellenbeschreibung Erwähnung finden, sind sie noch lange kein Alltag. Eine Bielefelder Agentur führte im vergangenen Jahr die 25-Stunden-Woche für ihre Mitarbeiter ein. Doch trotz großem Erfolg für das Unternehmen bleiben solche Beispiele Einzelfälle. Studien zeigen, dass die 40plus-Stundenwoche in Deutschland immer noch als das Nonplusultra gilt.

Aber wird sich das verbessern, wenn alle ihren Laptop einpacken und sich in Asien an den Strand setzen? "Ich denke, dass Unternehmer und die Einheimischen davon profitieren", sagt Svenja. In den meisten Städten würden die Digitalen Arbeiter akzeptiert, da sie effektiv keine Arbeitsplätze wegnehmen, sondern vor allem den Tourismus und die Wirtschaft im Land ankurbeln. Doch die Community bliebe meistens unter sich. Wer zu lange weg bleibt, kann übrigens auch mit den Behörden Probleme bekommen, denn regulär muss man eine gewisse Zeit in dem Land leben, in dem man gemeldet ist.

Neues Arbeiten mit alten Kontakten

Svenja hat ihr Gewerbe in Deutschland angemeldet. Sie zahlt eine Auslandskrankenversicherung und in das Versorgungswerk der Architektenkammer ein, eine private Altersvorsorge für ihren erlernten Berufsstand. Zudem legt sie privat Geld zurück. "Netto verdiene ich gerade fast schon so viel wie in meinem alten Job", sagt die Digitale Nomadin. Ihre Kunden hat sie aus ihren vorherigen Jobs mitgenommen oder über Freunde akquiriert; weil ihr Gewerbe in Deutschland gemeldet ist, kann sie jedoch nur für deutsche Kunden arbeiten. "Mein Umfeld war immer überrascht, dass ich es überhaupt zu Hause so lange ausgehalten habe", sagt sie heute.

Doch Asien soll für die 29-Jährige nur der Start ins Leben als Digitale Nomadin sein, denn hier ist der Einstieg leicht: Das Wetter ist schön und die Lebenshaltungskosten sind niedrig. Langfristig will Svenja jedoch in Australien Fuß fassen – dort hat sie ab kommenden Herbst ein Work-And-Travel-Visum. Neben ihrer Arbeit als digitale Assistentin kann sie dann ihrer zweiten Leidenschaft nachgehen: die Münsteranerin ist ausgebildete Zumba-Instruktorin und gibt Kurse in der Mischung aus Fitness und Tanz. Das geht überall auf der Welt, hofft sie.

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