Die erneuten Luftangriffe seien eine Reaktion auf "die wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen", teilte die israelische Regierung mit. Die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Katz beschlossenen Angriffe resultierten aus der "Ablehnung aller Vorschläge", welche die islamistische Palästinenserorganisation vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und den Vermittlern Katar und Ägypten erhalten habe.
Israels Außenminister Gideon Saar bezeichnete das Vorgehen der Armee als alternativlos. "Ohne die Freilassung unserer Geiseln hat Israel keine Alternative zur Wiederaufnahme von Militäroperationen", erklärte Saar und warf der Hamas vor, ein Angebot zu Verlängerung der ersten Phase der Waffenruhe abgelehnt zu haben.
Katz erklärte, die Hamas müsse verstehen, dass sich die "Spielregeln geändert haben". Wenn sie nicht sofort alle Geiseln freilasse, "werden sich die Pforten der Hölle öffnen" und die Hamas werde die "ganze Macht" der israelische Streitkräfte zu spüren bekommen - "bis zu ihrer vollständigen Zerstörung".
Nach Angaben Israels und USA war das Vorgehen mit Washington abgestimmt. "Ich kann bestätigen, dass die Wiederaufnahme der intensiven Kämpfe im Gazastreifen vollständig mit Washington koordiniert worden ist", erklärte der israelische Regierungssprecher David Mencer. Zuvor hatte bereits das Weiße Haus erklärt, dass sich Israel und Washington vor den Angriffen abgestimmt hätten.
Die US-Regierung gab der Hamas die Schuld für die Angriffe: "Die Hamas hätte die Geiseln freilassen und die Waffenruhe verlängern können, aber sie wählten stattdessen die Ablehnung und den Krieg", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Hamas wurden bei den Angriffen mindestens 419 Menschen getötet sowie hunderte weitere verletzt. Bei den meisten Toten handele es sich um Frauen, Kinder und Ältere. Die Hamas erklärte, unter den Opfern befinde sich auch ihr Regierungschef, Essam al-Dalis. Später gab ein Verantwortlicher des Islamischen Dschihad den Tod des Sprechers des bewaffneten Arms der Gruppe, der Al-Kuds-Brigaden, bekannt.
Die Hamas warf Netanjahu vor, nach dem Ausbleiben eines Erfolgs bei den Waffenruhe-Verhandlungen "den Krieg wieder aufzunehmen", und warnte, dieser Schritt könne ein "Todesurteil" für die verbliebenen Geiseln sein.
Das Forum der Geisel-Familien befürchtet nach eigenen Angaben, dass ihre Angehörigen "geopfert" werden.
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich schockiert über die neuen Angriffe und rief dazu auf, "die Waffenruhe zu respektieren, ungehinderte humanitäre Hilfslieferungen wieder aufzunehmen und die verbliebenen Geiseln bedingungslos freizulassen". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Wiederaufname der Kämpfe einen "Grund zu größter Sorge". Das Schicksal der verbleibenden Geiseln, aber auch die Zukunft der Menschen in Israel, im Gazastreifen und im gesamten Nahen Osten hänge nun wieder "an einem extrem dünnen seidenen Faden".
Im Ringen um die Fortsetzung des Abkommens waren in Katars Hauptstadt Doha weitere indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas geplant gewesen. Die erste Phase der Waffenruhe war am 1. März ausgelaufen, eine Einigung über die zweite Phase konnte trotz intensiver Bemühungen der Vermittler USA, Ägypten und Katar bisher nicht erzielt werden.
Seit Anfang März hatte Israel fast jeden Tag Hamas-Ziele im Gazastreifen angegriffen. Die ab dem 19. Januar geltende Waffenruhe hielt dennoch weitgehend. In der ersten Phase hatte die Hamas 33 von ihr als Geiseln verschleppte Menschen an Israel zurückgegeben, darunter acht Leichen.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Bei dem Angriff wurden israelischen Angaben zufolge mehr als 1200 Menschen getötet. Israel ging danach massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die sich unabhängig nicht überprüfen lassen, mehr als 48.500 Menschen getötet.