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Dresden und die Neonazis Die anständigen Aufständischen

Mit der Blockade strategisch wichtiger Punkte haben mehrere tausend Demonstranten in der Dresdner Neustadt eine Großdemonstration von Neonazis zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt verhindert. Die vom Bündnis "Dresden Nazifrei" koordinierte Aktion lief weitgehend friedlich ab – auch wenn es in dem alternativen Stadtteil vereinzelt dennoch krachte.
Von Lars Radau, Dresden

Geräumt wurde in Dresden schon am frühen Vormittag: In Alaunstraße, nur wenige Gehminuten vom Bahnhof Neustadt, fegte ein Hausmeister fast liebevoll den frisch gefallenen Schnee vom Bürgersteig. Am späten Nachmittag war die Szenerie in dem alternativen Stadtteil deutlich weniger entspannt: Brennende Barrikaden, dick vermummte Polizisten, die Demonstranten unsanft von der Straße hoben, anrollende Wasserwerfer. Doch der Einsatz der Ordnungshüter war gewissermaßen ein Rückzugsgefecht: Sie waren verpflichtet, den nach Polizeiangaben rund 5000 Neonazis, die sich am 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens vor dem Bahnhof Neustadt versammelt hatten, den Rückweg zu ihren Bussen zu sichern. Denn der ursprünglich geplante "Trauermarsch" der Rechtsradikalen, der vom Bahnhof durch die Neustadt führen sollte, musste von der Einsatzleitung schließlich "aus Sicherheitsbedenken" abgesagt werden.

Damit war die Strategie des Bündnisses "Dresden Nazifrei" aufgegangen: Schon am frühen Vormittag hatten tausende Demonstranten die Zugänge zum Neustädter Bahnhof abgeriegelt. Sie blockierten strategisch wichtige Punkte wie Brücken, Kreuzungen oder Unterführungen rund um den Treffpunkt der Rechten. Zeitweilig besetzten sie sogar Bahngleise, so dass der Zugverkehr zwischen den innerstädtischen Bahnhöfen Neustadt und dem Hauptbahnhof vorübergehend lahm gelegt wurde. Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht Dresden kurzfristig alle Gegendemonstrationen und Gegenaktionen gegen den von der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" verboten – und damit die angemeldeten Versammlungen für illegal erklärt. Deren Teilnehmer zeigten sich aber flexibel: "Dann befinden wir uns jetzt eben ab jetzt auf einer Spontandemonstration gegen das Versammlungsverbot", hieß es am Albertplatz, wo sich in Sichtweite des Bahnhofs Neustadt zeitweise rund 2000 Menschen zum friedlichen Protest versammelt hatten. Klartext redete dagegen der Liedermacher Konstantin Wecker, der wie diverse Landtagsabgeordnete und Bürgermeister anderer Städte von einer provisorischen Bühne seine Unterstützung der Aktion kundtat: "Ich bin hier, um mit Euch zu blockieren", rief er unter dem Applaus der Demonstranten.

Dresden - eine Festung gegen die Intoleranz

Während die Atmosphäre direkt am Albertplatz den ganzen Tag über fast heiter entspannt war, kam es in den Straßen um den Bahnhof herum zu vereinzelten Prügeleien zwischen Rechtsextremen und Linken. Mehrere Neonazis sollen nach Angaben des Bündnisses "Dresden Nazifrei" sogar gezielt ein alternatives Jugendzentrum überfallen haben. Das wollte ein Polizeisprecher zwar "so nicht bestätigen". Er räumte aber ein, dass es vor dem Zentrum eine "Auseinandersetzung" gegeben habe, ohne zu weiteren Details Stellung zu nehmen. Insgesamt seinen bis zum späten Nachmittag sieben Personen vorläufig festgenommen worden, die auch Polizisten angegriffen hätten, sagte der Sprecher. An diversen Kreuzungen hatten seinen Angaben zufolge Demonstranten zudem Mülltonen angezündet, die teilweise auch mit Wasserwerfer-Einsatz gelöscht werden mussten.

Während in der Neustadt die Polizei zwischen den Fronten stand, hielten sich auf dem anderen Dresdner Elbufer, in der historischen Altstadt, mehr als zehntausend Menschen an den Händen. Die Menschenkette war der Beitrag der Stadt zum Gedenktag – und bei den Blockieren nicht unumstritten. "Die anderen halten Händchen – und wir tun tatsächlich etwas", hieß es sarkastisch von der Bühne am Albertplatz. Katja Kipping, stellvertretende Vorsitzende der Linken, kritisierte zudem, dass die Polizei Demonstranten hindere, aus der Altstadt über die Elbbrücken zu den Blockaden in der Neustadt zu kommen.

Wohl auch deshalb war der Zulauf zur Menschenkette deutlich stärker als erwartet: Am Ende standen die Teilnehmer sogar in Dreier- und Viererreihen hintereinander, aus der ursprünglich geplanten Kette vom Altmarkt bis zur Synagoge war ein geschlossener Ring geworden. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die in den vergangenen Tagen für die Kette geworben und von den Blockade-Aktionen abgeraten hatte, war sichtlich gerührt: "Wir machen die Stadt zu einer Festung gegen Intoleranz und Dummheit", rief sie.

Diese Arbeit hat Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter schon hinter sich: Auf der Bühne am Albertplatz erzählte er von der Strategie, mit der er die Neonazi-Aufmärche in seiner Stadt "deutlich reduziert" reduziert habe. Kernpunkt sei „ein gemeinsames Vorgehen“ aller Beteiligten – von der Verwaltung bis zu linksalternativen Aktionsbündnissen. Er habe den Eindruck, sagte Schröter, dass es da in andren Städten durchaus „noch Lernbedarf“ gebe. Auf der anderen Seíte sei er von der Wirksamkeit des Weges, den die "Dresdner und ihre Unterstützer aus ganz Deutschland" in der Neustadt eingeschlagen hätten, angetan: "So viel Blockade war noch nie", sagte er hörbar erfreut.

Als sich am späten Nachmittag herumsprach, dass die Neonazi-Demonstration nun auch offiziell beendet sei, war der Applaus auf dem Albertplatz dennoch verhalten. "Mehrere Stunden ausharren in der Kälte fordern eben ihren Tribut", murmelte ein sichtlich erschöpfter Demonstrant.

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AFP/DAPD/hef

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