Gestohlene Geldbeutel Der Mann für gewisse Funde

Besonders originell scheinen die Kölner Taschendiebe nicht zu sein. Denn sie entsorgen gestohlene Geldbeutel gerne in der Gegend um den Hauptbahnhof herum. Gut für Johann Klein: Der Rentner macht sich dort täglich auf die Suche nach Gestohlenem. Und das sehr erfolgreich.

Der Rentner Johann Klein ist nicht groß. Für viele Menschen aber ist der Größte. Denn Johann Klein findet Gestohlenes. Seine Spezialität: Geklaute Portemonnaies. Bargeld oder Kreditkarten sind in den Geldbörsen, die der gebürtige Niederbayer in Köln in bahnhofsnahen Gebüschen und Winkeln entdeckt, zwar nur noch selten drin. Dafür enthalten sie aber für die Bestohlenen nur umständlich wieder zu beschaffene Personalausweise, Führerscheine oder Bilder der Lieben. Die schickt Johann Klein den Betroffenen dann - vorausgesetzt er hat auch die Adresse gefunden - mit der Post ins Haus. Bei den Empfängern ist die Freude meist groß - und auch die Dankbarkeit.

"Ich kenne die Stellen, wo ich gucken muss"

"Das macht fast süchtig", sagt Klein. Er beschreibt seinen Tagesablauf so: Morgens um acht, wenn in den Schulen der Unterricht und in den Büros die Arbeit beginnt, ist der 65-Jährige aus dem Südwesten Kölns schon in die Innenstadt geradelt. "Ich kenne die Stellen, wo ich gucken muss", sagt er. Nicht weit vom Hauptbahnhof an einer Stelle mit Büschen und Efeu steigt er vom Rad, holt ein kleines Stöckchen aus der mitgebrachten Plastiktüte und stochert im Laub herum. Und dann lacht er und bückt sich und hebt eine Geldbörse auf.

Als im Mai 1962 der 1. FC Köln in Berlin den 1. FC Nürnberg mit 4:0 besiegte und Deutscher Meister wurde, war der damals 20-jährige Johann Klein dabei. Für den beinharten Köln-Fan stand fest: "Du ziehst nach Köln!" Das tat er auch. Mehr als 30 Jahre arbeitete er beim Maschinenbauer Klöckner Möller. Als dort Ende der 90er Jahre die Krise ausbrach, war für Klein das Arbeitsleben zu Ende.

1998 begann er mit dem Sammeln von Leergut

1998 begann für ihn ein neues Kapitel: Mit dem Sammeln von Leergut. Das hatte ihm ein Maurerpolier geraten, den er vom täglichen Vorbeiradeln an einer Kölner Baustelle kannte. Vom Erlös kauft er bis heute Schokolade, die er im Stadion beim geliebten FC an Kinder verteilt. Irgendwann stieß er beim Flaschen sammeln dann auf sein erstes "gestohlenes" Portemonnaie. Bis heute wurden daraus, so steht es in den säuberlich beschrifteten Kladden, die er führt, 930 Stück. Mit Handtaschen, Mobiltelefonen, Laptops und Aktenkoffern kommt Klein auf 1304 Fundsachen, darunter auch eine Maschinenpistole.

"Über 600 Dankesbriefe hab ich bis jetzt bekommen", sagt Klein. Auch die hat er gesammelt. Oft stecken die Absender 10- oder 20-Euroscheine zum Brief dazu. Aber in gar nicht mal so wenigen Fällen hört der ehrliche Finder von den Bestohlenen gar nichts mehr. Das meiste Geld, das Klein erhält, spendet er: An die SOS Kinderdörfer, an ein lokales Kinderheim, an die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft oder für den Tierschutz. Nur was er für das Porto ausgibt, das versucht er zumindest auszugleichen.

"Wissen Sie, am Anfang hab ich die Sachen ja immer sofort zur Polizei gebracht. Aber das tu ich jetzt nicht mehr." Erst probiert er, ob er die Adresse der Bestohlenen ermitteln kann, was einfach ist, wenn der Personalausweis im Portemonnaie oder der Brieftasche steckt. Dann ruft er die Betroffenen meist an und schickt dann das Päckchen los. «Bis die Polizei die Betroffenen informiert, dass ihr Personalausweis gefunden wurde, vergeht zu viel Zeit, da haben die schon angefangen, einen neuen zu beantragen."

Von acht bis neun Uhr oder höchstens halb zehn sucht Klein an den ihm bekannten Stellen am Kölner Hauptbahnhof oder auf der anderen Rheinseite an der Messe, hinter dem Deutzer Bahnhof. Dann setzt er sich wieder aufs Rad und strampelt Richtung Heimat zum Geißbockheim, dem Vereinsheim des 1. FC Köln. Dort warten sie schon auf ihn, die anderen Rentner. "Na Johann, was Du heute gefunden?", fragen sie ihn in der Hoffnung auf eine Geschichte, die ihre düstere Stimmung aufhellen könnte. Denn FC-Fans haben es zurzeit bekanntlich schwer. Die Wende zum Besseren und Hoffnung auf den Wiederaufstieg in die 1. Liga, die Trainer Christoph Daum bringen sollte, lässt seit Wochen auf sich warten.

Ganz hinten waren noch zwei 50er

Manchmal hat Klein dann so eine Geschichte auf Lager. Etwa die von der alten Frau aus einem Kölner Vorort, deren scheinbar von Dieben völlig ausgeräumtes Portemonnaie er gefunden hatte. Doch im hintersten Fach der Börse da steckten noch zwei säuberlich gefaltete 50-Euro-Scheine. "Hat die sich gefreut", erinnert sich Klein. Er radelte gleich hin, um ihr das Geld persönlich zu bringen. Die Frau teilte das Geld, und Johann Klein konnte wieder was spenden.

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Günter Wächter/DPA

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