Gewalttat im Park "Teufel im Kopf": Prozess um Messerangriff in Aschaffenburg

Der Beschuldigte wurde nach der Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Der Beschuldigte wurde nach der Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Foto
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Ein sonniger Tag im Park, Kinderlachen: Doch plötzlich zerreißen wuchtige Messerstiche die Idylle. Wie im Wahn sticht ein Mann auf Kleinkinder ein. Warum, bleibt womöglich immer ungeklärt.

Zwei Erzieherinnen wollen mit ihren kleinen Schützlingen an diesem sonnigen Tag einen Pfau im Aschaffenburger Park Schöntal beobachten. Doch binnen Sekunden verändert sich ihr Leben dramatisch: Wuchtige Messerstiche, immer wieder, treffen zwei zweijährige Krippenkinder, die angeschnallt in einem Transportwagen sitzen und sich nicht wehren können. Auch das Eingreifen zweier mutiger Männer und einer Betreuerin kann den Messerstecher nicht stoppen.

Nach wenigen Augenblicken sind der 2 Jahre alte deutsche Junge marokkanischer Herkunft und der 41 Jahre alte, deutsche Helfer tot. Das 2-jährige Mädchen aus Syrien, der weitere Helfer (damals 72, deutsch) und eine Erzieherin (59, deutsch) überleben schwer verletzt. Neun Monate später steht der mutmaßliche Täter vor dem Aschaffenburger Landgericht. Er ist 28 Jahre alt, afghanischer Flüchtling, polizeibekannt und vermutlich psychisch krank - paranoide Schizophrenie lautet die Diagnose.

"Tat eines Wahnsinnigen"

Für Verteidiger Jürgen Vongries ist es die "Tat eines Wahnsinnigen". Der Beschuldigte habe damals Stimmen gehört und könne sich an die Attacke am 22. Januar nur diffus erinnern. Die Opfer habe der 28-Jährige zufällig ausgesucht, warum sei unklar. "Genau diese Frage werden wir nicht beantworten können." Sein Mandant sei ein sehr kranker Mensch.

Dem psychiatrischen Gutachter sagte der Verdächtige nach Angaben seines Anwalts, er habe das rund 30 Zentimeter lange Küchenmesser aus seiner Flüchtlingsunterkunft in Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) mitgenommen, weil er Angst etwa vor den islamistischen Taliban gehabt habe, sagt Vongries. "Er habe einen Teufel im Kopf gehabt, der viel mit ihm geredet habe." 

Wusste der Angreifer, was er tat?

"Der Beschuldigte litt bei Begehung der vorbezeichneten Taten an einer paranoiden Schizophrenie, aufgrund derer seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, aufgehoben war", fasst es Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh zu Beginn des sogenannten Sicherungsverfahrens zusammen. Die Staatsanwaltschaft möchte mit Blick auf die in einem ersten forensisch-psychiatrischen Gutachten angenommene Schuldunfähigkeit erreichen, dass der Afghane dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterkommt. 

Denn laut Gutachter ist die Erkrankung des 28-Jährigen nicht nur vorübergehend ist - es könnten ohne Behandlung "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" weitere, auch hochaggressive Taten folgen.

Angriff ohne Vorwarnung

Es ist der 22. Januar 2025, ein kalter, aber sonniger Mittwoch. Der Migrant stromert durch den Innenstadtpark - mit dem Messer, wie Ermittler später rekonstruieren.

Er fragt mehrere Männer nach Drogen und Zigaretten. "Außerdem führte der Beschuldigte Selbstgespräche", sagt Oberstaatsanwalt Bundschuh.

Zu selben Zeit sind die zwei Betreuerinnen mit fünf Krippenkindern in dem Park. Der Afghane bemerkt die Gruppe und folgt ihr. Als die Frauen mit den allesamt etwa zwei Jahre alten Jungen und Mädchen den Pfau ansehen wollen, spielt der 28-Jährige mit seinem Handy laut Musik ab. "Weil ihnen die Situation unangenehm war und sie dem Beschuldigten aus dem Weg gehen wollten", entscheiden sich die Frauen, den Park zu verlassen, sagt Bundschuh. "Sie nahmen aber nicht an, dass er ihnen etwas antun wolle."

Kurz danach kommt es zum Angriff - unvermittelt und ohne Vorwarnung. "Bei seinem Übergriff war es dem Beschuldigten von vornherein darauf angekommen, die beiden Kinder zu töten bzw. ihnen schwere Verletzungen zuzufügen", erläutert der Oberstaatsanwalt. Erst als immer mehr Passanten auf die dramatischen Szenen aufmerksam werden, flüchtet der Verdächtige. 

Blutige Hände und Blut an der Jacke

Rund zwölf Minuten nach dem ersten Notruf wird der Mann in der Nähe von Bahngleisen widerstandslos festgenommen. Das blutverschmierte Messer liegt nicht weit weg. "Blutige Hände und Blut an der Jacke", beschreibt ein Polizist dem Gericht die Situation.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Verdächtigen Mord, versuchten Mord, Totschlag, versuchten Totschlag, Bedrohung sowie Körperverletzungsdelikte vor.

"Es steht völlig außer Zweifel, wer der Täter gewesen ist", sagt der Kriminalbeamte. Aber die Frage nach dem Warum könne er nicht beantworten. "Es war überhaupt nicht vorhersehbar, es gab keine Trigger, wir wissen nicht warum. Ich kann Ihnen kein Motiv nennen", sagt er auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters.

Der Beschuldigte habe keines der Opfer gekannt. "Das waren absolute Zufallsopfer gewesen", erklärt der Polizist und ergänzt: "Das hat die ganze Stadt, das hat das ganze Land erschüttert."

Afghane polizeibekannt

Der ausreisepflichtige 28-Jährige war vor der Tat wegen mehrerer Delikte polizeibekannt und vorübergehend in Psychiatrien - auch damals hieß es laut den Ermittlern schon, er könne paranoid schizophren sein. Dennoch lagen die Voraussetzungen für eine längere Unterbringung des Mannes in einer Psychiatrie nicht vor.

In dem Sicherungsverfahren geht es neben der Gewalttat im Park auch um einen Vorfall am 29. August 2024 in der Flüchtlingsunterkunft in Alzenau. Damals soll der Mann seine Freundin gewürgt und verletzt haben.

Für das Sicherungsverfahren sind bis zum 30. Oktober sechs Verhandlungstage angesetzt.

dpa

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos