Es war eine schreckliche Entdeckung: Am 1. Januar wurde die Leiche eines kleinen Kindes an der Küste der norwegischen Insel Karmøy gefunden. Der Fall wurde zu einem Mysterium für die ermittelnden Behörden, da in Norwegen zu diesem Zeitpunkt kein Kind als vermisst galt, wie der norwegische Rundfunk NRK berichtete. Kleidungsstücke und eine Rettungsweste seien aber Hinweise darauf gewesen, dass der Junge aus dem Ausland stammte.
Nun gibt es Gewissheit über die Identität des toten Kindes. Bei dem nur 15 Monate alten Jungen handelt es sich um Artin I. "Er ist iranischer Abstammung und am 27. Oktober letzten Jahres bei einem Schiffbruch im Ärmelkanal vor Frankreichs verschwunden", sagte die Ermittlerin Camilla Tjelle Waage laut einer Pressemitteilung der norwegischen Polizei. Beide Eltern sowie Artins zwei ältere Geschwister wurden demnach nach dem Unglück mit dem Flüchtlingsboot tot aufgefunden. Der Rest der Familie wurde benachrichtigt.
Vergleich von DNA bringt Gewissheit
Bei der Autopsie des Jungen wurde Material für die DNA-Analyse sichergestellt und ein vollständiges DNA-Profil im Universitätskrankenhaus Oslo erstellt. Die Nationale Identifikationsgruppe der Kriminalpolizei hat den Polizeibezirk Südwest bei der Suche nach einer DNA-Übereinstimmung unterstützt.
Die Polizei hatte schon früh die Hypothese, dass es sich um Artin I. handeln könnte, da es bereits Bilder des Jungen mit der gleichen Kleidung gab, wie sie bei der bei der Leiche gefunden wurde. "Wir haben einige Tipps zu diesem Jungen bekommen und Bilder von ihm haben die Theorie bestärkt. Trotzdem war es uns wichtig, nicht voreilig zu einem Schluss zu kommen", so Waage.
"Als sich herausstellte, dass ein Verwandter des Jungen in Norwegen ein enges Verwandtschaftsverhältnis zu ihm hatte, haben wir uns entschlossen, seine DNA mit der des Jungen zu vergleichen. Dies ist ein mühsamer Prozess, aber wir freuen uns, dass wir jetzt die Bestätigung erhalten haben, dass es sich um den vermissten Jungen handelt." Die Geschichte sei tragisch, aber es sei zumindest gut, den Überlebenden eine Antwort geben zu können, sagte Waage weiter.
Grenze der Grausamkeit – ein Fotograf dokumentiert die brutale Abschottung der EU

Dieses ist eines der ersten Bilder, die ich auf meiner Recherche in Bosnien im Februar 2020 gemacht habe. Ich war schon drei oder vier Tage vor Ort, als es entstand. Die Männer auf dem Bild kommen aus Afghanistan. Ich war dieser Gruppe schon einige Male begegnet in den Tagen zuvor. Dann sah ich, dass sie sich auf dem Dach der verfallenen Metall-Fabrik in der bosnischen Provinzhauptstadt Bihac versammelt hatten. Viele Flüchtlinge, die in den offiziellen Lagern in der Umgebung keinen Platz gefunden hatten, hatten wie sie dort Unterschlupf gesucht.
Ich habe das Foto gemacht, weil es drei Dinge vermittelt: Es zeigt diese fünf Männer beim Kochen im Freien, auf einem Feuer aus trockenen Zweigen. Es zeigt den Ort, an dem sie leben, diese heruntergekommene Industrieruine. Und im Hintergrund sieht man den Gebirgszug, entlang dessen die Grenze zwischen Kroatien und Bosnien verläuft. Dahinter liegt das Ziel, das alle hier zu erreichen versuchen: Die Europäische Union."
Unglück mit Flüchtlingsboot bereits im Oktober
Artin I. war mit seiner Familie und weiteren Geflüchteten bei schlechtem Wetter auf dem Weg vom französischen Dünkirchen nach Großbritannien, wie norwegische Medien sowie die britische BBC berichten. Die Familie kurdischer Abstammung habe den Iran im August verlassen und sei über die Türkei und Italien bis nach Frankreich gelangt. Der Fundort der Leiche in Norwegen liegt mehr als 900 Kilometer von Dünkirchen entfernt.
Die sterblichen Überreste von Artin I. sollen nun in den Iran überführt werden, so die BBC.
Quellen: Polizei Norwegen, NRK, "VG", BBC