London Urin verursacht Verfallsprozesse

Neben dem gewöhnlichen Abfall hat London ein größeres Problem: Rund eine Million Liter Urin werden jährlich an Häuserwände abgelassen. Gegen diese "Schmutzkriminalität" geht die Stadt jetzt vor.

Jahrzehntelang galt London als eine der dreckigsten Städte Europas. Verschmutzte Straßen und herumliegender Abfall gehörten zum Image der Metropole wie der Big Ben und die Tower Bridge. Doch davon will sich die Stadt nun endgültig lösen. Nach der Verbannung der Tauben vom Trafalgar Square hat die Stadtverwaltung der Londoner Innenstadt Westminster nun auch den menschlichen Straßenbeschmutzern den Kampf angesagt.

22 000 Tonnen Abfall im Jahr

Zwar wohnen in Westminster gerade einmal 230 000 Menschen. Doch weit mehr als eine Million Touristen und Angestellte strömen täglich durch die Innenstadt. Im vergangenen Jahr sammelten die Straßenkehrer 22 000 Tonnen Abfall ein. Damit hätte man mehr als 3000 Doppeldecker-Busse füllen können.

Nach Angaben der Stadtverwaltung ist jedoch das größte Problem mittlerweile nicht mehr der Abfall, sondern das Verhalten der nächtlichen Pub- und Discobesucher. Diese sollen pro Jahr rund eine Million Liter Urin an Häuser und Ecken pinkeln - das entspricht der Wassermenge, die für ein gewöhnliches 50-Meter-Schwimmbecken benötigt wird. Zudem lassen die Stadtbesucher im Durchschnitt jedes Wochenende 300 Pfützen mit Erbrochenem und jede Nacht sechs Haufen mit Exkrementen in Londons Straßen liegen.

"Schmutzkriminalität"

Doch damit will sich die Stadtverwaltung nun nicht mehr abfinden. So verabschiedete der Rat von Westminster in den letzten Jahren verschiedene Gesetze gegen die "Schmutz-kriminalität". Denn die Unsitten verschandeln nicht nur das Straßenbild; der ätzende Urin beschleunigt auch den Verfallsprozess bedeutender Gebäude und Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt.

Doch weder die drastischen Strafen von 500 Pfund (700 Euro) für "Wildpinkler" noch die neu eingeführten versenkbaren Pissoirs in den Straßen scheinen bisher wirksam zu sein. Deshalb appellieren die Stadtbehörden jetzt an das soziale Gewissen der Bewohner und Besucher Londons. Sie sollen sich in ihrem eigenen Interesse verantwortungsbewusster verhalten, auch dann noch, wenn sie spätabends angetrunken aus einem der zahlreichen Pubs oder Clubs strömen.

"Eine saubere Stadt ist eine sichere Stadt"

"Wir müssen versuchen, das Verhalten der Menschen zu ändern", sagt Stadträtin Judith Warner. Die Leute müssten verstehen, dass "eine saubere Stadt auch eine sichere Stadt" sei und die Lebensqualität aller Bewohner steigere, sagt Warner. Zusätzlich hat Westminster mit einer Reinigungsfirma den "größten englischen Saubermach-Vertrag aller Zeiten" abgeschlossen. Die Stadtverwaltung bezahlt dem Unternehmen 32 Millionen Pfund pro Jahr dafür, dass 300 Mitarbeiter Tag und Nacht die Straßen sauber halten.

Doch die Stadt setzt auch auf Vorbeugung: Nach Angaben einer Beamtin entwickelt Westminster seit einiger Zeit zusammen mit Kaugummifabrikanten ein Kauprodukt, das weniger klebt und dadurch einfacher von den Straßen gelöst werden kann.

DPA
Benno Lichtsteiner

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