Winnemuth: Um es kurz zu machen Der ewige Stapel – warum mein Papierberg nie verschwinden wird

Meike Winnemuth schreibt über den unaufhaltsam wachsenden Stapel an Papierkram
Meike Winnemuth schreibt über den unaufhaltsam wachsenden Stapel an Papierkram
© Illustration: Tina Berning /stern
Es gibt tausend Methoden, einen Berg von Papierkram schrumpfen zu lassen. Aber eins ist sicher: Verschwinden wird er nie.

Zwischen den Jahren, das habe ich mal irgendwo gelesen und sofort auf ewig beherzigt, soll man auf keinen Fall putzen und waschen, das bringt Unglück. Ich war schon immer ein Freund der durch irgendein obskures Gesetz legitimierten Verwahrlosung, nicht dass es in meinem Fall noch der Aufforderung bedurft hätte. Putzen findet bei mir aus drei Gründen statt: 1. als Übersprungshandlung, wenn ich eigentlich was anderes total Dringendes zu tun hätte (--> Kolumne schreiben), 2. wenn es einen deutlich erkennbaren Unterschied von vorher und nachher zu geben verspricht (--> Fensterputzen, einmal jährlich), 3. wenn es selbst mir zu peinlich ist, wie es hier mal wieder aussieht (--> besonders unübersehbar nach dem Fensterputzen, was wiederum entschieden gegen Fensterputzen spricht).

Zeit zu Handeln

Aber nun muss dringend was passieren. Zum Jahresanfang stehen die Sterne ja immer günstig für ungeliebte Aktivitäten. Da ist zum einen der klassische "Jetzt aber mal"-Ruck, der einen verlässlich alle 365 Tage durchfährt und der genauso verlässlich nach wenigen Tagen wieder verpufft, und da sind zum anderen gewisse physikalische Notwendigkeiten. In meinem Fall ist das die prekäre Höhe des Ewigen Stapels, der jeden Moment einstürzen könnte und dann alles unter sich begraben wird – mich, den Hund, halb Norddeutschland.

Meike Winnemuth: Um es kurz zu machen

Meike Winnemuth schreibt Kolumnen, seit sie Buchstaben kennt, seit 2013 auch für den stern. Lange hatte sie einen kolossalen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Autoren, die 900-Seiten-Wälzer hinkriegen. Inzwischen hat sie sich damit abgefunden, dass sie eine Textsprinterin mit Kurzstreckenhirn ist und bekennt sich zum norddeutschen Motto "Nicht lang schnacken". Wenn sie sich dann allerdings doch mal zu einem richtigen Buch quält, wird das verrückterweise gleich ein Bestseller wie ihr Reisebuch "Das große Los. Wie ich bei Günter Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr".

Der Ewige Stapel ist, vermute ich mal, fester Einrichtungsgegenstand jedes Haushalts, ebenso wie die Chaosschublade für alles, was sonst keinen Platz findet in der Küche: Korken, Werbekulis vom Copyshop, Kabel für irgendwas, Eddings, Schaschlikspieße, Plastikfischchen mit Sojasauce vom Asia-Imbiss, Beutelchen mit Frischhaltepulver für Blumen; alles Zeug, das man bestimmt irgendwann noch mal dringend braucht und das deshalb auf keinen Fall entsorgt werden darf. Der Ewige Stapel ist ähnlich essenziell: ein fester Ort in der Wohnung, an den alle wichtigen Dokumente gepackt werden, Quittungen, Steuerbescheide, Stromrechnungen, Rentenstandsmitteilungen, Beitragserhöhungsschreiben diverser Versicherungen und sonstige Schriftstücke, die ganz bestimmt mal bald, demnächst, irgendwann abgeheftet werden.

Nämlich hier und heute. Wie immer geht es anfangs schnell, ich schichte lediglich von der Horizontalen in die Vertikale um, in Hängeregistraturordner, die allerdings schon bedenklich aus dem Leim gehen. Egal, rein damit, geht schon noch. Aber dann kommt wie jedes Mal der Moment, in dem ich auf etwas komplett Unabheftbares stoße. Hier ist beispielsweise die Plastikmappe, die mir vor Jahren eine Leserin schickte: eine Kollektion von – natürlich leeren – Hundegassibeuteln aus ganz Europa, aus Prag, Lissabon, La Rochelle und Südtirol, jeder begleitet von einem Foto mit Fundort und -zeitpunkt.

Papierkram muss gehegt und gepflegt werden

Es steckt so viel Sorgfalt und liebenswerte Obsession in dieser Sammlung, dass sie seit vier Jahren einen festen Bestandteil des Ewigen Stapels bildet und damit weiß Gott nicht die älteste Schicht ist. Wegwerfen? Unmöglich. Abheften? Kein Ordnungssystem der Welt ist für Gassibeutelsammlungen ausgelegt. Also zurück auf den Stapel.

Kleiderschrank - Mädchen wirft Kleidung in die Luft
Dein Kleiderschrank platzt aus allen Nähten und du kannst das Chaos nicht länger ignorieren?
 
Wir haben die ultimativen 5 Tipps für ein konsequentes Ausmisten!   
 
  1. Organisiere dich!
Nimm dir mindestens zwei Stunden Zeit. Besorge dir drei große Umzugskartons und beschrifte sie mit „Verschenken, „Verkaufen und „Vielleicht.
Lade eine gute Freundin als Stil-Beratung ein und lege deine gesamte Kleidung auf dein Bett.
  1. Passe deine Garderobe deinem Körper an und nicht umgekehrt!
Alles, was zu eng ist, einschneidet, zwickt oder verrutscht, gehört aussortiert. Befrei dich dringend von Gedanken wie: „Da passe ich schon irgendwann wieder rein!
  1. Hinterfrage die Qualität!
Der fusselige Pulli oder das Polyester-Kleid, das ständig elektrisch aufgeladen ist – wenn ein Kleidungsstück nervt, sortier es aus.
  1. Schluss mit dem Horten von Schlabber-Klamotten!
Klingt simpel: Kleidung in der du nicht mehr das Haus verlassen möchtest, kommt weg. Mehr als eine Boller-Buxe und einen Schlabberpulli braucht kein Mensch.
  1. Stell dir die Stil-Frage!
Probiere alle Teile aus der „Vielleicht-Kiste und frage dich konsequent: Ist das noch mein Stil? Wann habe ich es zuletzt getragen? Die Teile, bei denen du dir unsicher bist, hängst du mit einem umgekehrten Kleiderbügel zurück in den Schrank. Hängt der Bügel nach einem Jahr immer noch verkehrt herum, weg damit!

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5 Tipps, wie du deinen Kleiderschrank richtig ausmistest
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Solche Stapel sind wie Komposthaufen: Sie werden regelmäßig umgehoben, gelüftet, neu gemischt, aber bestimmte Dinge wollen sich einfach nicht zersetzen. Ich habe gerade Spesenquittungen zu Reisen gefunden, die 2014 stattgefunden haben; vielleicht sollte ich sie langsam mal einreichen. Mache ich bestimmt, ganz bald.

Nach drei Stunden bin ich durch. Erfolg auf ganzer Linie: Der Ewige Stapel ist um gut die Hälfte geschrumpft, er hat jetzt höchstens noch Kniehöhe. Triumphaler kann ein neues Jahr nicht beginnen.

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