Die WDR-Sendung "Die letzte Instanz" wollte über Rassismus sprechen. Stattdessen echauffieren sich vier Weiße über Paprikasauce und Faschingskostüme. In dieser Sendezeit hätten sich Menschen unterhalten, voneinander lernen, aufeinander zugehen können. Aber dafür hätte der WDR Gäste einladen müssen, die Ahnung haben. Dazu gehört nicht Thomas Gottschalk, der denkt es wäre eine gute Idee, sich für eine Party als Jimi Hendrix zu verkleiden und dann auch noch meint, er wüsste nun wie es ist, sich als schwarzer Mensch unter Weißen zu fühlen. Das war nur eine von vielen rassistischen Situationen in der WDR-Sendung. An diesem Punkt hätte jemand reagieren können. War aber niemand da. Weil nie jemand da ist. Zu wenig, zu selten. Vielleicht hat der WDR ja einfach niemanden gefunden, der von Rassismus betroffen ist. Dann lasst mich euch helfen.
Die Empörung über diese Sendung kann gar nicht groß genug sein. Das hat der WDR inzwischen auch verstanden und rudert zurück. Plump und anmaßend mit wenigen Worten auf Twitter. Immerhin eine Entschuldigung, könnte man meinen. Aber gerade mit Blick auf das Einknicken des Intendanten Tom Buhrow bei der harmlosen Umweltsau-Satire, müssen sich die Migrantin*innen jetzt mit einem absurden Tweet begnügen. Da kann man über diese Peinlichkeit nur staunen. Oder über die Ignoranz.
Natürlich, lieber WDR, das Konzept der Sendung ist, dass sich halbwegs bekannte Menschen ihre uninformierten Meinungen verkürzt um die Ohren hauen. Warum es einen Sendeplatz dafür braucht, wenn es doch Twitter gibt, ist die eine Frage. Eine ganz andere ist, warum ihr dann nicht mal versucht, die Sendung spannend zu besetzen. Mit unterschiedlichen Menschen und unterschiedlichen Meinungen. Aber nein, ihr setzt lieber vier weiße Menschen zusammen, die vollkommen vorhersehbar die gleiche Meinung zum Thema Rassismus haben.
Da ladet ihr Jürgen Milski ein, dessen einzige mediale Berechtigung darin besteht, vor 20 Jahren mit Zlatko im Big Brother Haus gewesen zu sein. Ihr lasst ihn rassistische Anekdoten erzählen und das Publikum applaudiert. Ihr schafft eine Atmosphäre, in der Janine Kunze völlig ungeniert Anfeindungen wegen ihrer zu großen Brüste mit Rassismus gleichsetzt. Unfassbar.
Der WDR hätte diverser einladen müssen
Wann werden Talkrunden im deutschen Fernsehen endlich diverser aufgestellt? Wann verstehen Programmverantwortliche, dass knapp 25 Prozent der Menschen in diesem Land eine Migrationsgeschichte haben, seit Jahrzehnten zu unserer Gesellschaft gehören und trotzdem kaum in den Medien abgebildet werden? Diese Diskussion ist so mühsam. Dabei ist die Lösung ganz einfach.
Um über Rassismus zu sprechen, hättet ihr Lena Gorelik einladen können. Sie hat sich zu den antisemitischen Anschlägen von Halle geäußert und darüber, dass sie ihren Kindern gesagt hat, sie sollten in der Öffentlichkeit nicht darauf aufmerksam machen, dass sie Juden sind.
Um über Rassismus zu sprechen, hättet ihr den Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby kontaktieren können. Er hätte erzählt, dass er als Berufspendler als einziger vom Schaffner kontrolliert wurde, obwohl er schon seit Jahren mit der immer gleichen Bahn fuhr und ein Ausweis zur Identifikation nicht ausreichte.
Um über Rassismus zu sprechen, hättet ihr die Runde mit Idil Baydar erweitern können. Die hätte euch erzählen können, wie ihre persönlichen Daten von Polizeicomputern in Hessen abgefragt wurden und man ihr mit NSU 2.0 unterzeichnete Morddrohungen nach Hause geschickt hat, während die Polizei dazu schwieg.
Um über Rassismus zu sprechen, hättet ihr mit dem SPD-Politiker Bariş Önes sprechen können, der erzählt, wie er in der elften Klasse den Tipp bekam, nach der Schule als Teppichhändler zu arbeiten. Ihr hättet mit der schleswig-holsteinischen Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré sprechen können, die einem erzählt, wie es ist ständig beleidigt zu werden, ob wegen Aussehen, Herkunft oder Körpergewicht, nur weil sie sich gegen Rassismus stark macht und dabei lacht und sagt: "Ja ist eben so."
Ihr hättet mit dem Präsidenten der Hamburgischen Ärztekammer Dr. Pedram Emami sprechen können, der einem erzählt hätte, wie es sich anfühlt als junger Assistenzarzt erstmal geduzt zu werden, während alle anderen gesiezt wurden. Die Ausländer kann man ja anders ansprechen, passt schon. Ihr hättet mit dem Moderator Tarik Tesfu, den die Leute nicht nur du "Scheiß N…" nennen, sondern dessen Adresse gehackt wurde, man ihm Morddrohungen schickt, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Ihr hättet mit Vertretern der Sinti und Roma sprechen können, die einem hätten erzählen können, wie es ist, durch das Z-Wort über Jahrhunderte stigmatisiert und zu einem aggressiven Feindbild gemacht zu werden.
Bei Rassismus geht es um Macht
Stattdessen kann Janine Kunze dem Zentralrat der Sinti und Roma Langeweile attestieren, weil der eine rassistische Fremdbezeichnung ablehnt. Ist es so schwer, dieses eine Wort nicht mehr zu sagen? Das schränkt euch tatsächlich in eurer Freiheit ein? Oder wie jemand auf Twitter schrieb: "Schreien Sie im Supermarkt auch den Twix-Verkäufer an, weil Sie mit der Umbenennung nicht klarkommen?"
Aber bei Rassismus geht es eben immer um Macht und beim Z-Wort oder beim N-Wort oder all den anderen angeblichen Einschränkungen der Grundrechte der weißen Mehrheitsgesellschaft, geht es um die Macht, als weiße Mehrheitsgesellschaft der Minderheit vorzuschreiben, dass sie gefälligst die Klappe zu halten hat, weil einem das nicht passt. Noch gemütlicher ist es aber natürlich, die Betroffenen einfach vom Gespräch auszuschließen.
Dann werden Micky Beisenherz, Jürgen Milski, Janine Kunze und Thomas Gottschalk auch nicht dabei gestört, wenn sie genau solche Erfahrungen relativieren und die Forderungen der Betroffenen ins Lächerliche ziehen. Ihr lasst vier weiße Menschen vorführen, wie Rassismus funktioniert. Nicht weil sie böse sind, nicht weil sie verkappte Rassisten sind, nein, weil niemand da ist, der ihnen widerspricht, niemand, der betroffen ist, niemanden, dem sie zuhören und den sie verstehen können, niemand, der eine wirkliche Geschichte zu Rassismus erzählen kann. Ihr schließt Menschen mit Migrationsgeschichte weiter aus dieser Gesellschaft aus.
Seit einiger Zeit lade ich Menschen in das Alman-Taxi. Und nein, das Wort Alman ist nicht Rassismus. Es wurden nicht über Jahrhunderte Menschen unter diesem Begriff subsumiert, versklavt, ausgebeutet und ermordet. Es ist nicht das gleiche, wie beim N-Wort. Wer gegen das Wort Alman aufsteht, ist nicht Sophie Scholl. Wie oft habe ich das Alman-Taxi (mehr dazu erfahren Sie hier) dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk angeboten, nur um ein paar Migrant*innen mehr in der Gesellschaft abzubilden. Um mit ihnen über ihre Erfahrungen, ihre Sorgen und Ängste zu sprechen. Abgelehnt. Uninteressant. Irrelevant. Mittlerweile mache ich das Taxi in meiner Freizeit. Nach dem Mist, der uns da gerade zugemutet wurde, weiß ich auch wieder warum.
Viele meiner Gäste erzählen mir immer wieder, sie gingen nicht mit ihren Problemen in die Öffentlichkeit oder in Talkshows, weil sie Angst davor hätten, als quengelig oder undankbar rüberzukommen. Dabei sollte ihnen die Mehrheitsgesellschaft dafür dankbar sein, dass sie ihre Erfahrungen immer wieder teilen. In der Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der sie gleichberechtigt in schlechten Fernsehshows sitzen. Vielleicht sollten wir Migrant*innen uns als Paprikasoße verkleiden, da würden mehr Menschen für uns in die Bresche springen.