Mordfall Metzler "Hochstapler" und "Monstrum"

Möglicherweise identifizierte er sich mit dem Filmdieb "Thomas Crown". Zumindest habe er aber immer wieder Gefühlskälte bewiesen. Für die Ankläger des mutmaßlichen Mörders von Jakob von Metzler scheint klar zu sein: Magnus Gäfgen hat eiskalt gemordet.

Auf der Anklagebank links im Frankfurter Gerichtssaal saß der mutmaßliche Mörder des elfjährigen Jakob von Metzler blass und in sich gekehrt. Magnus Gäfgen vermied Augenkontakt mit den beiden Staatsanwälten direkt gegenüber, die am Donnerstag vortrugen, was sich ihrer Meinung nach hinter der Maske des "netten Jungen von nebenan" verbirgt: ein skrupelloser, eigensüchtiger Verbrecher, der vor Gericht nur über sein eigenes Schicksal geweint habe.

Magnus Gäfgen sei ein Hochstapler gewesen, sagte Staatsanwalt Justus Koch. Der Jura-Student habe sich bei seinen wohlhabenden Freunden als erfolgreicher Anwalt ausgegeben, der von seinen Eltern zum Abschluss des Studiums eine sechsstellige Geldsumme bekam. Tatsächlich hatte er 60.000 Mark aus einem Bausparvertrag und einer Rentenanlage. Als er das Geld ausgegeben hatte, wollte er nach eigenen Worten unbedingt verhindern, dass seine Lügen herauskämen. So will er auf die Idee gekommen sein, mit einer Entführung an Geld zu kommen.

Auf den Spuren von "Thomas Crown"?

Möglicherweise identifizierte er sich mit dem Filmdieb Thomas Crown; am Abend nach der Entführung und dem Mord wollte er sich zusammen mit seiner Freundin das Video "Die Thomas-Crown-Affäre" ansehen, "Untertitel: Er hat nichts, er will alles", fügte der Staatsanwalt hinzu.

Koch hielt dem 28-Jährigen vor, er habe den arg- und wehrlosen Sohn der Frankfurter Bankiersfamilie qualvoll erstickt, damit er sich einen Mercedes und Markenkleidung kaufen könnte. Die Staatsanwälte forderten eine Verurteilung zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung nach 15 Jahren und betonten, moralisch stehe das Verbrechen auf tiefster Stufe. Gäfgen bewies nach ihrer Ansicht immer wieder Rücksichtslosigkeit und Gefühlskälte: So fuhr er mit der Leiche des Kindes im Kofferraum zum Haus der Familie von Metzler, um das Erpresserschreiben abzulegen. Und er beschuldigte im Verhör drei Bekannte fälschlicherweise als Urheber des Verbrechens und schickte ihnen damit das laut Koch "nicht zimperliche Sondereinsatzkommando" ins Haus.

"Das Blaue vom Himmel gelogen"

Staatsanwalt Koch erinnerte an die Ankündigung der Verteidigung, Gäfgen werde offen und schonungslos aussagen. Stattdessen habe er vor Gericht wie bei einer Art Schachspiel taktiert und "das Blaue vom Himmel gelogen". Erst am letzten Tag der Beweisaufnahme habe der Angeklagte zugegeben, von vornherein die Tötung des Entführungsopfers geplant zu haben. In seiner Ausdrucksweise sei er aber immer im Konjunktiv (Möglichkeitsform) geblieben. Weder habe sich Gäfgen bei Jakobs Eltern entschuldigt noch sich selbst mit seiner Tat ernsthaft auseinandergesetzt.

Der 28-jährige Angeklagte selbst hatte versichert, er sei "kein aggressiver oder gewalttätiger Mensch". Verteidiger Hans Ulrich Endres kritisierte nach Verhandlungsschluss vor Journalisten, die Staatsanwälte hätten Gäfgen als "Monstrum" dargestellt, das sei nicht richtig. "Er wirkt so, weil er völlig erschüttert ist", sagte Endres. Genüsslich hatte Staatsanwalt Koch dem "in den Medien allgegenwärtigen" Rechtsanwalt dessen eigene Äußerung vorgehalten, Gäfgen sei einer, mit dem seine Tochter ohne Bedenken zum Frankfurter Opernball hätte gehen können. Am Donnerstag antwortete Endres auf die Frage, ob er diesen Satz bereue, laut und deutlich: "Ja, ich habe die Opernball-Äußerung bereut."

"Minderschwerer Fall von Aussage-Erpressung"

Das Plädoyer der Verteidiger ist für kommenden Donnerstag vorgesehen. Endres deutete bereits an, dass er die Gewaltandrohung der Frankfurter Polizei beim Verhör Gäfgens in den Mittelpunkt stellen wird. "Wir müssen der Polizei zeigen, dass es so nicht geht." Die Staatsanwaltschaft geht von einem minderschweren Fall der Aussage-Erpressung aus, was strafmildernd berücksichtigt werden soll.

Inge Treichel

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