Eine Reaktion, so ehrlich wie unverschämt: "Was wollen sie denn", sagte ein belgischer Polizist zum stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack bei seiner Festnahme, "in Birma werden die Journalisten noch viel schlechter behandelt". Womit der Beamte leider Recht hat. Elf Pressevertreter sitzen in dem südostasiatischen Land im Gefängnis. 134 sind es weltweit, und in den ersten vier Monaten dieses Jahres sind bereits 13 Reporter ums Leben gekommen.
Düstere Zahlen, die zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai, von der Vereinigung "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht wurden. Anlässlich dieses Tages sieht sich auch der Deutsche Presserat genötigt, an die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit in Deutschland zu erinnern. In einer Stellungnahme heißt es, immer wieder würden Büros deutscher Journalisten durchsucht – wie etwa das Büro des stern-Korrespondenten Tillack in Brüssel. Oder die Razzia im Haus des Journalisten und Buchautoren Udo Ulfkotte Ende März. Dem Sicherheitsexperten wird wie Tillack Bestechung unterstellt – was beide energisch bestreiten.
"An Vagheit nicht zu übertreffen"
Ist die Pressefreiheit ein gefährdetes Gut? Tillack will nicht Verallgemeinern, sagt aber gegenüber der Online-Ausgabe des stern: "In meinem Fall habe ich den Eindruck, dass die Pressefreiheit kaum geachtet wurde." Die belgische Staatsanwaltschaft hatte bei der Durchsuchung sämtliche Recherche-Unterlagen Tillacks konfisziert.
Welttag der Pressefreiheit
Der Internationale Tag der Pressefreiheit wurde 1991 von der UN-Vollversammlung ausgerufen. Er wird immer am 3. Mai begangen und erinnert an die "Erklärung von Windhuk", die am 3. Mai 1991 bei einem UNESCO-Seminar zur Förderung einer unabhängigen und pluralistischen Presse in der namibischen Hauptstadt Windhuk verabschiedet wurde. Darin wird die Zensur als eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte angeprangert. Die Botschaft von Windhuk lautet, dass jeder Journalist überall auf der Welt das Recht haben muss, frei und ohne Angst berichten zu können.
Der Tag der Pressefreiheit erinnert auch an die Verletzung von Informations- und Freiheitsrechten in vielen Staaten der Welt. Seit 1997 verleiht die UNESCO - die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation - an diesem Tag den Guillermo-Cano-Preis zum Gedenken an den ermordeten kolumbianischen Journalisten.
Ohne Kopien oder so etwas wie eine Beleg über Anzahl und Art der beschlagnahmten Dokumente zu hinterlassen. "Zudem sind die Verdächtigungen gegen mich an Vagheit nicht zu übertreffen", so Tillack. So beruhe die Durchsuchung einzig auf der Aussage einer Person, die angeblich gehört haben will, wie Tillack 8000 Euro oder Mark, dass wisse diese Person nicht genau, für Informationen gezahlt haben soll.
Ziemlich viele Konjunktive für eine handfeste Razzia. Die Strafprozessordnung lässt laut Presserat eine solche Aktion nur zu, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung des Journalisten vorliege. Durchsucht werde aber auch, ohne dass ein solcher Verdacht bestehe. Ermittlungsbehörden konstruierten so gelegentlich eine strafbare Handlung von Journalisten, um über eine Durchsuchung an deren Material - und somit auch an deren Quellen und Informanten - zu gelangen.
Dieses Ziel hatte offenbar auch Olaf, das EU-Betrugsbekämpfungsamt, in dessen Auftrag die belgische Polizei das stern-Büro durchsucht haben soll. Tillack hatte jahrelang über Betrügereien und Unregelmäßigkeiten in der EU-Administration im Allgemeinen sowie Olaf und Eurostat im Speziellen berichtet und dabei auch aus vertraulichen Unterlagen zitiert.
Bedenkliche Folgen
Nun habe auch Olaf die Möglichkeit, die einkassierten Dokumente einzusehen und aus den Absenderdaten, wie etwa Faxnummern, Rückschlüsse auf die Informanten zu ziehen. "Der allgemein übliche und in Europa geschützte Informantenschutz wird mit solchen Aktionen ausgehebelt", sagt Tillack. Die Folgen seien bedenklich: Wenn sich niemand mehr an die Presse zu wenden traut, dann "werden wir in Zukunft nur noch offizielle Statements aus offiziellen Stellen bekommen und wären ziemlich arm dran", so der stern-Korrespondent.
Überhaupt hat Tillack den Eindruck, dass die Pressefreiheit im Zeichen der Terrorbekämpfung tiefe Einschnitte erlebe. "Und zu dem, was ich hier in den vergangenen Wochen erlebt habe", so der Reporter, kann ich nur sagen: Es herrscht Alarmstufe Rot."