Mehr als 500.000 Drogentote in zehn Jahren US-Apothekenketten für Mitschuld an Opioid-Krise verurteilt

Eine Packung des Schmerzmittels Oxycontin
Das Schmerzmittel Oxycontin gilt als einer der Treiber der Opioid-Krise in den USA. Es kann stark abhängig machen.
© Toby Talbot / Picture Alliance
Die USA kämpft seit mehr als zehn Jahren gegen eine verheerende Opioid-Krise. Fast eine halbe Millionen Menschen sind in dieser Zeit an einer Überdosis gestorben. Mitschuld haben auch große Apothekenketten, urteilte nun ein Gericht.

Die Vereinigten Staaten kämpfen seit mehr als 20 Jahren gegen eine sich immer weiter verschlimmernde Opioid-Krise. Schätzungen zu Folge sind bereits knapp eine halbe Millionen Menschen in den USA an einer Überdosis gestorben. Für viele Abhängige beginnt ihre Drogenkarriere dabei ganz harmlos – in der Apotheke. 

Sogar Jugendliche bekommen Opioide verschrieben

Selbst für Jugendliche ist es noch immer gängige Praxis, etwa wegen durchstechender Weisheitszähne, opioid-basierte Schmerzmittel zu erhalten. Sie sind billig, leicht herzustellen und können extrem schnell abhängig machen. 

Die Jury eines Bundesgerichts in Cleveland hat nun geurteilt: Große Apothekenketten in den USA, wie etwa die Ableger von Walmart, CVS und Walgreens haben eine Mitschuld an der prekären Lage im Land. Die Ketten hätten durch laxe Vergabe dieser Medikamente und zu wenig Aufklärung über Gefahren und Risiken eine Mitschuld an der Opioid-Krise

Was klingt wie eine Krise des Gesundheitswesens, ist längst auch eine politische geworden. Denn geklagt hatten zwei Countys in Ohio. Sie fordern Zahlungen in Milliardenhöhe, als Entschädigung für die Kosten, die ihnen im Kampf gegen die Opioid-Welle entstanden sind.

Die Countys konnten die Geschworenen im Prozess davon überzeugen, dass die Supermarktketten und ihre Apotheken durch lockere Vergabe der Medikamente ein öffentliches Ärgernis darstellen.

Wie der "Spiegel" berichtet, erklärte Mark Lanier, ein Anwalt der Countys Lake und Trumbull: "Das Gesetz verlangt von den Apotheken, dass sie bei der Abgabe von Medikamenten gewissenhaft vorgehen. Dieser Fall sollte ein Weckruf sein, dass Versäumnisse nicht akzeptiert werden."

Allein im County Trumbell seien demnach zwischen 2012 und 2016 rund 80 Millionen verschreibungspflichtige Schmerzmittel ausgegeben worden. Das entspreche rechnerisch etwa 400 pro Einwohner. 

Wie viel Walmart, CVS und Walgreens zahlen müssen, soll ein Bundesrichter im Frühjahr entscheiden. Die Unternehmen kündigten indes Berufung an und verweisen darauf, dass sie nur Medikamente verkauften hätten, die von lizensierten Ärzten verschrieben worden seien. Derzeit laufen einige ähnliche Gerichtsverfahren in den USA. Das Urteil in diesem Fall könnte also einen Präzedenzfall darstellen und deshalb wegweisend für künftige Klagen sein.

Corona-Pandemie führte zu traurigem Höhepunkt der Opioid-Krise

Die andauernde Opioid-Krise in den Vereinigten Staaten hat derweil während der Corona-Pandemie einen neuen traurigen Höhepunkt erreicht. Die Gesundheitsbehörde CDC veröffentlichte neue Zahlen in der vergangenen Woche, nach denen zwischen April 2020 und April 2021 mehr als 100.000 Amerikanern an Drogen gestorben sind – fast 30 Prozent mehr als im Vorjahr.

Als Grund für diesen Anstieg sehen Experten unter anderem die strengen Lockdown-Maßnahmen, der häufige Verlust und Arbeitsplätzen und damit einhergehend ein Anstieg von psychischen Problemen und somit erhöhtem Drogenkonsum. Zudem seien Abstinente häufig rückfällig geworden. Hinzu kommt, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung durch die Pandemie erschwert war.

Wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet, ist eine Überdosis in den USA eine häufigere Todesursache als Schusswaffen und Autounfälle zusammen. Der größte Anteil der Drogentoten geht auf Opioide zurück, insbesondere auf das günstige und leicht erhältliche "Fentanyl". 

Droge Fentanyl in einer Plastiktüte
In den USA sind mehr als 93.000 Menschen an einer Drogenüberdosis gestorben
© picture alliance / empics | DARRYL DYCK / Picture Alliance
50-mal stärker als Heroin, mehr als 40.000 Tote in den USA: Was macht Fentanyl so gefährlich?

Das Schmerzmittel war ursprünglich für die Schmerzbehandlung von Krebspatienten im Endstadium konzipiert. Seine Wirkung ist hundertmal stärker als Morphium und kann schon in kleinsten Dosen zum Herzstillstand führen. Oftmals wird Fentanyl mit anderen Drogen wie Heroin oder Amphetaminen verschnitten, da es deutlich günstiger ist, als die illegalen Substanzen, berichtet die "tagesschau".

Quellen: Der Spiegel, Neue Zürcher Zeitung, CDC, tagesschau, mit Material von DPA

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