Babyleichen von Husum "Ich habe meiner Frau immer blind vertraut"

  • von Anette Lache
Annika H. lebte unauffällig als zweifache Mutter in Husum. Niemand ahnte, dass sie fünf weitere Kinder geboren hat. Für deren Tod soll sie verantwortlich sein. Im stern spricht ihr Ehemann.

Vor dem Flensburger Landgericht beginnt am kommenden Montag der Prozess gegen Annika H. Die heute 29-Jährige aus Husum soll laut Anklage zwischen 2006 und 2012 fünf Kinder unmittelbar nach der Geburt getötet haben. Im stern äußert sich erstmals ihr Ehemann: "Für mich hat sich eine Falltür aufgetan, und ich bin eine Ewigkeit in ein Loch gefallen", schildert Michael Paulsen (Name geändert) den 25. September 2012, als sich herausstellte, dass seine Frau die Mutter der tot aufgefundenen Säuglinge ist.

Er sei bis dahin völlig ahnungslos gewesen: "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Annika mir etwas verschweigt", sagt der 35-Jährige, der seit mehr als zehn Jahren mit der Hotelfachfrau zusammen ist. "Ich habe meiner Frau immer blind vertraut." Annika H. hat in ihrer Aussage bestätigt, dass ihr Mann tatsächlich nichts gewusst hat. "Ich muss damit umgehen, aber ich weiß noch nicht wie", sagt Michael Paulsen. Er hat sich nicht von ihr abgewandt.

Drei weitere Leichen im Keller

Das erste tote Baby war 2006 in einer Papiersortieranlage in Ahrenshöft (Kreis Nordfriesland) gefunden worden, das zweite ein Jahr später auf einem Parkplatz bei Silberstedt (Kreis Schleswig-Flensburg). Am 25. September 2012 baten dann Beamte der Flensburger Kripo im Rahmen ihrer Ermittlungen auch Annika H. um eine freiwillige Speichelprobe. Sie hatten keinen Verdacht, aber sie passte ins Raster. Wenige Stunden darauf fuhr Annika H. zur Kripo nach Flensburg und gestand, die gesuchte Frau zu sein. Und sie gab an, dass es noch drei weitere tote Säuglinge gebe: im Keller ihres Wohnhauses.

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30 Fälle pro Jahr in Deutschland

Jedes Jahr werden in Deutschland um die 30 solcher Taten bekannt. Die Neugeborenen wurden in den ersten Stunden nach der Geburt getötet oder unversorgt liegen gelassen, bis sie starben. Es gibt keine schlüssigen Erklärungen für diese so genannten Neonatizide, keine einzelne Ursache, aber ein übereinstimmendes Merkmal: Die Frauen verdrängen ihre Schwangerschaften, sind davon überzeugt, nicht schwanger zu sein. "Sie werden von der Geburt tatsächlich überrascht und geraten völlig in Panik", erklärt die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, Isabella Heuser, im neuen stern. "Diese Frauen töten nicht aus Gefühlskälte, vielmehr kommt es zu einer Panikreaktion im Zuge des Geburtsstresses." Heuser spricht von einem psychischen Ausnahmezustand und einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit.

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