Bayerns Justizministerin Jeden sexuellen Missbrauch als Verbrechen brandmarken

Als Reaktion auf immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Kirche und in Schulen fordert Bayern eine höhere Mindeststrafe. Sie müsse von derzeit sechs Monaten auf ein Jahr angehoben werden, sagte Bayerns Justizministerin Beate Merk der Zeitung "Die Welt" vom Dienstag.

Als Reaktion auf immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Kirche und in Schulen fordert Bayern eine höhere Mindeststrafe. Sie müsse von derzeit sechs Monaten auf ein Jahr angehoben werden, sagte Bayerns Justizministerin Beate Merk der Zeitung "Die Welt" vom Dienstag. "Jeder sexuelle Missbrauch muss wieder als Verbrechen gebrandmarkt werden", verlangte die CSU-Politikerin.

Derzeit wird sexueller Missbrauch von Kindern mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Verbrechen sind Straftaten, die mit mindestens einem Jahr Haft bestraft werden. Geringer geahndete Straftaten sind Vergehen.

Das von der FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberg geführte Bundesjustizministerium sieht einen Handlungsbedarf beim Zivil- und nicht beim Strafrecht. "Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, um Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend zu machen, ist deutlich zu kurz", sagte Staatssekretär Max Stadler der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der FDP-Rechtsexperte Hartfrid Wolff forderte, die Verjährungsfrist müsse auf 30 Jahre verzehnfacht werden.

Hier gibt es Übereinstimmung in der Koalition: Auch der Unionsfraktionsvize Günter Krings sprach sich für längere zivilrechtliche Fristen bei Missbrauch aus. "Entschädigungsansprüche der Opfer laufen heute in der Regel ins Leere, weil sie zu schnell verjähren", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Viele Betroffene fänden erst nach Jahren oder Jahrzehnten die Kraft, sich zu offenbaren.

Uneins ist die Koalition aber über die Verjährungsfristen für die Straftat selbst. Merk verlangt, dass sexueller Missbrauch mindestens 30 Jahre statt wie bisher zehn Jahre lang strafrechtlich verfolgt werden kann. Das aber hält Leutheusser-Schnarrenberger nicht für sinnvoll. Sie verlangt zudem die Zahlung von Entschädigungen. "Es braucht ein klares Signal an die Opfer, wie zum Beispiel das Gespräch über freiwillige Wiedergutmachungen in den Fällen, in denen die rechtliche Verjährung eingetreten ist", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Dies wäre ein Stück Gerechtigkeit gegenüber den Opfern, auch wenn sich das erlittene Unrecht materiell nicht aufwiegen lasse.

Kritisch sieht Leutheusser-Schnarrenberger auch den von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder einberufenen Runden Tisch, der vor allem auf die Prävention von Kindesmissbrauch setzt. "Das Anliegen, die konkrete Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in den Mittelpunkt zu rücken, gehört bei allen berechtigten Fragen der Prävention in den Vordergrund", sagte die FDP-Politikerin der "Passauer Neuen Presse". Sie selbst hatte einen Runden Tisch gefordert, der die Aufklärung der Fälle als Schwerpunkt haben soll. "Bei allen Diskussionen über Prävention darf die konkrete Aufarbeitung nicht verdrängt werden."

Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx begrüßte den von Schröder eingerichteten Runden Tisch, an dem unter anderem Kirchen, Länder, Kommunen und Lehrer teilnehmen sollen. "Dem Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen muss auf breiter Front entgegengetreten werden", sagte Marx dem "Münchner Merkur".

Reuters
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