Prozessauftakt Alkohol und Drogen - ist der Berliner U-Bahn-Treter nicht voll schuldfähig?

U-Bahn-Treter
Die Aufnahmen von seiner Tat haben viele Menschen bundesweit erschüttert: Der Berliner "U-Bahn-Treter" ist nun verurteilt worden. Eine Chronik des Falls.
 
27. Oktober 2016: Ein Mann tritt eine Passantin am Berliner U-Bahnhof Hermannstraße scheinbar grundlos die Treppe hinunter. Die 26-jährige Frau erleidet einen Armbruch und eine Platzwunde am Kopf. Der Täter und seine Begleiter flüchten.
 
6. Dezember 2016: Sechs Wochen nach der Tat - die Polizei leitet die öffentliche Fahndung mit dem BVG-Überwachungsvideo ein.
 
Die schockierenden Aufnahmen schlagen hohe Wellen. Zahlreiche Prominente loben Belohnungen für Hinweise aus, die zur Ergreifung des Täters führen.
 
14. Dezember 2016: Die Berliner Polizei gibt bekannt, dass der Verdächtige als Svetoslav S. identifiziert wurde - noch ist er nicht gefasst. Es wird vermutet, dass er ins Ausland geflüchtet ist.
 
17. Dezember 2016: Svetoslav S. wird am Berliner ZOB festgenommen – er kommt gerade mit dem Bus aus Südfrankreich.
 
25. April 2017: Die Staatsanwaltschaft Berlin erhebt Anklage. Dem 28-Jährigen werden neben der Attacke auch exhibitionistische Handlungen zur Last gelegt.
 
15. Juni 2017: Prozessbeginn. Es sind fünf Prozesstage bis zum 6. Juli geplant. Dem Angeklagten droht eine Haftstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.


6. Juli 2017: Das Landgericht Berlin verurteilt Svetoslav S. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten. S. sei der gefährlichen Körperverletzung sowie in einem getrennten Fall der exhibtionistischen Handlung schuldig, erklärt das Gericht.
Der Prozess gegen den sogenannten U-Bahn-Treter von Berlin begann mit einem Geständnis. Doch der Angeklagte ist möglicherweise nicht voll schuldfähig, weil er unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden haben will.

Die Tat entsetzte ganz Deutschland: Ein Mann in Berlin trat eine Frau brutal die Treppen in einer U-Bahn hinunter. Durch Überwachungsbilder wurde der Täter bundesweit bekannt. Zum Prozessauftakt räumte er nun seine Tat ein. "Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, wie es dazu kam", ließ Svetoslav S. vor dem Landgericht in der Hauptstadt von seinem Verteidiger erklären. Damals habe er unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gestanden.

Er wolle sich persönlich bei der Frau entschuldigen, die er vor neun Monaten die Treppe am U-Bahnhof Hermannstraße hinunter getreten hatte.

"U-Bahn-Treter" unter Drogen- und Alkoholeinfluss?

Der 28-Jährige ist der gefährlichen Körperverletzung angeklagt und muss sich zudem wegen des Vorwurfs exhibitionistischer Handlungen verantworten. Er soll zwei Wochen vor dem Angriff auf dem Neuköllner U-Bahnhof vor drei Frauen masturbiert haben. Zu diesem Vorwurf wollte sich der Bulgare aber nicht äußern.

S. ließ erklären, er habe in der Tatnacht zum 27. Oktober neben Bier und Wodka auch Haschisch, Chrystal Meth und Kokain konsumiert. "Im Laufe des Abends hat mich mein älterer Bruder provoziert", sagte S. über einen seiner Begleiter. Da er zudem Streit mit seiner Frau gehabt habe, sei er frustriert gewesen.

"Ich fand das selbst grauenhaft"

An den Angriff habe er keine Erinnerung, erklärte S. - erst Mutter und Schwester hätten ihm das Video gezeigt. "Ich fand das, was ich gesehen haben, selbst grauenhaft."

Svetlanka M. bestätigte vor Gericht weitgehend die Aussagen ihres Manns. Zusammen haben die beiden drei Kinder. Einen Eheschein hingegen haben sie nicht: Sie wurden im Alter von 15 Jahren verheiratet. Vor einem Jahr seien sie nach Berlin gekommen und lebten vom Kindergeld sowie von Gelegenheitsjobs des Angeklagten, sagte die 27-Jährige.

Die Ehefrau erklärte das Verhalten des Angeklagten mit einer schweren Kopfverletzung, die S. bei einem Autounfall erlitten habe. Ihr Mann sei seitdem aggressiv, trinke viel und kiffe täglich. Ein Gutachter sollte zur psychischen Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten aussagen. Womöglich ist S. nicht voll schuldfähig.

Angriff in Berlin löste Entsetzen aus

Der hagere Mann mit schwarzem Haar und vernarbtem Gesicht sitzt seit Mitte Dezember in Untersuchungshaft. Er schaute weg, als die zur Fahndung veröffentlichte Videosequenz zusammen mit Aufnahmen anderer Kameras im Gerichtssaal vorgeführt wurde. Sie zeigt, wie eine junge Frau in schwarzer Kapuzenjacke die Treppe zum Gleis hinabsteigt. Von hinten eilt S. heran und tritt der Frau mit Wucht zwischen die Schulterblätter.

Die Frau stürzt mit dem Oberkörper voran die Stufen hinab. Sie bricht sich einen Arm und erleidet eine Platzwunde am Kopf. S. und seine drei Begleiter entfernen sich vom Tatort, während Zeugen der Frau zu Hilfe eilen. Der Angriff hatte bundesweit Entsetzen und Empörung ausgelöst. 

Am Donnerstag soll die Geschädigte vor Gericht aussagen. Dann begegnen sich Opfer und Täter erstmals von Angesicht zu Angesicht.

Beim ersten Prozessauftakt vor eineinhalb Wochen hatte das Gericht einem Antrag der Verteidigung stattgegeben, die eine Schöffin wegen Voreingenommenheit abgelehnt hatte. Das Verfahren platzte daraufhin. Nach Berufung eines anderen Schöffen konnte nun die Anklage verlesen werden.

Berliner U-Bahn-Treter: Polizei fahndete mit diesem Video nach Gewalttätern
Polizei fahndete mit diesem Video nach Gewalttätern
AFP · DPA
wue

PRODUKTE & TIPPS