Bluttat von Lörrach Die rätselhafte Amokläuferin

Sie tötete ihren Sohn, ihren Mann und einen Pfleger – doch was trieb Sabine R. aus Lörrach zur ihrer Wahnsinnstat? Spurensuche bei einer Frau, die niemand wirklich zu kennen schien.

Wer die Nachbarn fragt, bekommt zu hören, dass sie eine liebevolle Mutter gewesen sei. Eine nette Frau, adrett gekleidet, wenngleich oftmals angespannt. Wer Menschen fragt, die beruflich mit ihr zu tun hatten, bekommt zu hören, dass sie getrieben wirkte, ja sogar besessen. Wer Psychologen fragt, erfährt, dass Frauen vor allem bei Beziehungsproblemen Amok laufen. Zumal wenn sich dazu noch berufliche und private Krisen gesellen. Ob das alles bei Sabine R., 41, der Fall war, ist auch zwei Tage nach der Tat noch immer unklar.

Die Rechtsanwältin war erst im Juni dieses Jahres in die Markus-Pflüger-Straße gezogen und eröffnete dort ihre Kanzlei. "Arbeitsrecht, Termine nach Vereinbarung" steht an der Eingangstür. Noch immer. Nur hundert Meter gegenüber befindet sich das St. Elisbethen-Krankenhaus. Dort tötete sie auf ihrer Gewalttour einen Pfleger. Dort, auf der gynäkologischen Station, hatte sie vor sechs Jahren eine Fehlgeburt erlitten. Sie war in der 16. Woche schwanger und hatte die riskanteste Zeit eigentlich schon hinter sich. Ein knappes Jahr später, im Mai 2005, kam Sohn Roman zur Welt - er starb, wie sein Vater, am Sonntagabend in der Markus-Pflüger-Straße 22. Der Kleine wurde mit einem stumpfen Gegenstand bewusstlos geschlagen und mit einer Plastiktüte erstickt, so das Obduktionsergebnis. Als der Knirps gefunden wurde, hatte er noch sein Stofftier im Arm.

"Sah alles sehr harmonisch aus"

Bis vor rund einem Jahr lebte die Familie gemeinsam in einem Einfamilienhaus in Häg-Ehrsberg, rund 30 Kilometer von Lörrach entfernt. Das Eigenheim war frisch renoviert, die Ehe aber schien sich langsam aufzulösen. Das Wort Scheidung sei schon im Frühjahr gefallen, verrät eine Nachbarin der Schweizer Boulevardzeitung "Blick". Nachdem Sabine R. in das kleine badische Städtchen umgezogen war, blieb ihr Sohn Roman bei Vater Wolfgang, 44. Die "Bild"-Zeitung zitiert einen Nachbarn mit den Worten: "Wolfgang R. hatte eine neue Freundin." Wie sehr die Trennung vom Mann und Kind Sabine R. zu schaffen machte, weiß wohl niemand. Aber immer wenn der Kleine bei seiner Mutter im neuen Garten spielte, "sah alles sehr harmonisch aus", sagte Anwohnerin Iserka B. zu stern.de.

Erst Anfang Dezember vergangenen Jahres hatte Sabine R. ihre Zulassung als Rechtsanwältin bekommen. Die „Badische Zeitung“ berichtet, dass sie zuvor in einer Personalabteilung eines Unternehmens gearbeitet habe - mit einem befristeten Vertrag. Als der gekündigt wurde, sei sie vor Gericht gezogen und habe dabei "mehrere Anwaltskollegen verschlissen." Über die habe sie sich dann in wirren Schriftsätzen bei der Anwaltskammer beschwert, so das Blatt weiter. Einen Journalisten soll sie irgendwann gebeten haben, sich ihrer Geschichte anzunehmen, doch dem kam sie "merkwürdig und besessen" vor. Die Ehe befindet sich in Auflösung, beruflich läuft nur wenig glatt - kein Wunder, dass die Nachbarn Sabine R. als angespannt beschreiben.

Und dann war sie noch Sportschützin, mindestens vier Waffen waren auf ihrer Waffenbesitzkarte registriert: Gewehre unterschiedlicher Größe, darunter eine Flinte mit doppelten Lauf sowie die Tatwaffe, eine "Walther" Sportpistole. Mit dieser halbautomatischen Waffe erschoss sie wahrscheinlich ihren Mann, der am Sonntagabend gegen 18 Uhr den kleinen Roman wieder abholen wollte. Mit dieser Waffe ballerte die Frau auch anschließend wild um sich. Im Flur des Krankenhauses, wo Sabine R. von 17 Polizeikugeln niedergestreckt wurde, findet die Kripo später 100 Patronenhülsen. 300 weitere Schuss Munition hat sich bei sich. Dazu noch das dolchartige Fahrtenmesser, mit dem auf den 56-jährigen Pfleger im Krankenhaus einsticht, bis er stirbt.

Hinweise auf eine Beziehungstat

Die Polizei sieht eine "Beziehungsproblematik als wahrscheinlichen Auslöser der Tat". Doch die Frage nach dem Warum bleibt auch weiterhin unbeantwortet. Für eine Beziehungstat gibt es Hinweise. Vielleicht konnte Sabine auch die Trennung von ihrem Sohn nicht verkraften. Oder ihre neu eröffnete Kanzlei lief nicht zu ihrer Zufriedenheit. Und warum lief sie bewaffnet in das Krankenhaus? Kam sie nicht über ihre Fehlgeburt hinweg?

Aber sind das alles Gründe, um erst die eigene Familie zu ermorden, dann die eigene Wohnung mit Nitroverdünner anzuzünden und so zur Explosion zu bringen? Danach auf offener Straße wahllos auf Passanten zu schießen, anschließend in das benachbarte Krankenhaus zu stürmen und dort weiter um sich zu feuern und einen zufällig anwesenden Pfleger niederzumetzeln? Die Polizei wird es herausfinden müssen. Für den Psychologen Jens Hoffmann zumindest hat dieser Amoklauf eine vertraute Struktur: "Wir kennen den Ablauf, dass zuerst Familienmitglieder getötet werden, bevor die Täter weiterziehen. In der Regel zu anderen Menschen oder Institutionen, von denen sie glauben, dass Ihnen dort Unrecht getan wurde."

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