Die Eltern des sechsjährigen Dennis aus Cottbus, dessen Leiche fast drei Jahre in der Tiefkühltruhe der Familie versteckt war, müssen sich seit Donnerstag vor dem Landgericht Cottbus verantworten. Die 44-jährige Angelika B. und ihr 38-jähriger Mann Falk B. sind wegen Totschlags und Misshandlung eines Schutzbefohlenen angeklagt. Sie kündigten an, aussagen zu wollen. Der Prozess wurde nach Anklageverlesung und Feststellung der Personalien der Angeklagten vertagt.
Laut Staatsanwaltschaft starb der kleine Junge, weil er völlig unterernährt war und keine ärztliche Hilfe bekam. Außerdem sollen die Eltern ihn geschlagen haben. Der Mutter wird auch noch Betrug vorgeworfen, weil sie noch mehr als zwei Jahre nach dem Tod des Kindes für dieses Sozialleistungen bezog.
Einem rechtsmedizinischen Gutachten zufolge starb Dennis etwa im Frühsommer 2001 völlig ausgezehrt an erheblicher Schwäche. Anschließend lebte das arbeitslose Ehepaar und sieben weitere Kinder mit dem Leichnam in der Kühltruhe, die in der Küche der Plattenbauwohnung im Cottbusser Stadtteil Sandow stand. Der Vater erklärte später, er habe davon nichts gewusst. Erst im Juni 2004 entdeckten Polizeibeamte das tote Kind, nachdem das Jugendamt nach dem Jungen suchen ließ.
Erst vernachlässigt, dann misshandelt
Laut Anklage hatten die Eltern Dennis schon seit dessen Geburt im Januar 1995 nicht ausreichend ernährt, ihn auch sonst vernachlässigt und nicht medizinisch untersuchen lassen. Der Junge habe lange Hunger gelitten, sei deutlich untergewichtig, in seinem Wachstum gehemmt und nur eingeschränkt bewegungsfähig gewesen, sagte Staatsanwalt Tobias Pinder. Etwa ein Jahr bevor er starb, habe die Mutter begonnen, Dennis mit einem Bademantelgürtel ans Bett zu fesseln - manchmal tage- und nächtelang - und ihn zu schlagen. Zwar sei nicht auszuschließen, dass Dennis wie von der Mutter geschildert an einer Infektion gestorben sei, erklärte Pinder. Die Krankheit sei dann aber von der Auszehrung verursacht worden und wäre bei unverzüglicher medizinischer Versorgung nicht tödlich verlaufen. Die Eltern hätten ihm "medizinische Hilfe bewusst und willentlich nicht gewährt, wobei sie den Tod des Kindes billigend in Kauf genommen haben", sagte Pinder.
Die Verteidigung beantragte die Vorführung eines Dokumentarfilmes, in dem Angelika und Falk B. zu dem Verbrechen interviewt wurden. "Frau B. ist sehr gehemmt. Das Abspielen des sehr sachlichen Filmes würde ihr helfen auszusagen", sagte ihr Rechtsanwalt Hans-Joachim Kelleners.
Kritik an den Behörden
Der Fall hatte auch Kritik an den Nachbarn und den Behörden ausgelöst, weil trotz Verschwindens des Jungen fast drei Jahre lang niemand nachgefragt hatte. Obwohl Dennis im Sommer 2001 eingeschult werden sollte, schritten weder das Schulamt noch das Jugendamt ein. Den Behörden hatte Angelika B. immer wieder erklärt, der Junge könne wegen Zuckerkrankheit nicht eingeschult werden. Damit gaben sich die Sachbearbeiter zufrieden. Außerdem zahlte das Sozialamt laut Anklage noch bis November 2003 knapp 3.800 Euro Beihilfe für den toten Jungen. Erst am 21. Juni 2004 war eine Mitarbeiterin misstrauisch geworden, nachdem die Eltern ihr erzählt hatten, Dennis sei wegen eines Zuckerschocks mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen worden und deshalb wieder nicht zu sprechen. Die Polizei fand dann die Leiche.
Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage angesetzt, 30 Zeugen und drei Gutachter sollen gehört werden. Den Angeklagten drohen maximal 15 Jahre Haft, wobei dem Vorsitzenden Richter Roland Bernards zufolge auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge möglich wäre. Die Verhandlung soll am 4. November fortgesetzt werden, das Urteil ist für den 10. Januar geplant.