Mehr als 1600 Polizistinnen und Polizisten hat die Soko "Epaulette" am frühen Dienstagmorgen in Berlin in Marsch gesetzt. Ihr Auftrag: insgesamt 18 Wohnungen, Garagen und Autos durchsuchen. Ihr Ziel: den spektakulären Diebstahl historischer Kunstschätze aus dem Grünen Gewölbe in Dresden vor rund einem Jahr aufklären.
Ganze Straßenzüge in der Hauptstadt waren in Blaulicht getaucht, Spezialeinheiten von Bundespolizei und aus acht Bundesländern waren im Einsatz. "Im Zentrum der heutigen Maßnahmen steht die Suche nach den entwendeten Kunstschätzen und möglichen Beweismitteln wie Speichermedien, Bekleidungsstücken und Werkzeugen", teilte die Staatsanwaltschaft Dresden mit. Ob etwas gefunden wurde, ist noch nicht bekannt.

Drei Verdächtige zum Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe Dresden
Fest steht, dass die Einsatzkräfte insgesamt drei Männer festgenommen haben, allesamt den Behörden zufolge deutsche Staatsbürger. Sie sollten noch im Laufe des Dienstags vor den Haftrichter kommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem schweren Bandendiebstahl vor. Um wen es sich bei den Verdächtigen handelt, teilten die Ermittler nicht mit. Nach Informationen des "Spiegel" soll es sich um Angehörige der arabischstämmigen Großfamilie R. handeln. Einer der Verdächtigen soll laut "Bild"-Zeitung wegen des Diebstahls einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum verurteilt worden sein (lesen Sie hier mehr dazu). Mitglieder der Familie R. wurden in der Vergangenheit immer wieder mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht. Die Polizei geht von weiteren an dem Diebstahl Beteiligten aus – zwei Verdächtige im Alter von 21 Jahren werden noch gesucht, teilten die Ermittler mit.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtete unter Berufung auf den Dresdener Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt, dass die Tatverdächtigen durch die Auswertung der Überwachungsaufnahmen am Tatort ermittelt worden seien. Auch kriminaltechnische Untersuchungen sollen für die Identifizierung der Männer eine Rolle gespielt haben.
Die Festnahmen sind ein erster größerer Erfolg der Soko "Epaulette", die seit November 2019 in dem Fall ermittelt – doch Thomas Geithner, der Sprecher der Dresdner Polizei, dämpfte die Erwartungen, dass die gestohlenen Kunstschätze wieder zurück an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehen werden. "Da müsste man sehr viel Glück haben, dass man die ein Jahr nach der Tat noch finden würde."
Der Polizeieinsatz soll noch den gesamten Dienstag andauern, mit Verkehrsbehinderungen im gesamten Berliner Stadtgebiet sei zu rechnen, so die Behörden. Der Schwerpunkt der Razzien sei im Stadtteil Neukölln, unter anderem waren im Mittelweg und an der Gitschiner Straße schwerbewaffnete Polizisten und eine Vielzahl von Einsatzfahrzeugen zu sehen.
Mehr als 1600 Polizisten in Berlin im Einsatz
Der Einsatz von 1638 Beamtinnen und Beamten ist außergewöhnlich groß. Neben der Vielzahl der durchsuchten Objekte dürfte auch die Gewaltbereitschaft einzelner Mitglieder der Familie R. hierfür eine Rolle spielen. Zudem versprechen sich die Behörden von dem robusten Auftritt offenbar auch, im Milieu krimineller Großfamilien ein Zeichen zu setzen. Die sogenannten Clans stehen seit geraumer Zeit besonders im Fokus der Sicherheitsbehörden in der Hauptstadt. Berlins Innensenator Andreas Geisel sagte, der Einsatz sei "ein weiteres Signal in die Szene". Niemand könne sich über den Staat und seine Regeln hinwegsetzen. "Der Rechtsstaat ist das Maß der Dinge", so der SPD-Politiker. Er bestätigte in dem Fall des Kunstdiebstahls "Bezüge zur Clankriminalität". Für den Dienstagnachmittag kündigte die Dresdner Staatsanwaltschaft weitere Informationen an.

Der Einbruch in das historische Grüne Gewölbe hatte am frühen Morgen des 25. November 2019 als Dresdner Juwelendiebstahl international für Aufsehen gesorgt. Die Täter drangen seinerzeit durch ein Fenster des Residenzschlosses in der sächsischen Landeshauptstadt ein, zertrümmerten eine Vitrine im Juwelenzimmer und stahlen rund 20 Objekte, darunter eine diamantbesetzte Aigrette, Teile eines Brillantcolliers und den Bruststern des Polnischen Weißen Adler-Ordens. Die Täter entkamen nach wenigen Minuten unerkannt mit einem Audi, der später ausgebrannt entdeckt wurde. Der Wert der gestohlenen Schätze sei in Euro kaum zu bemessen, hatte Museumschef Dirk Syndram nach dem Einbruch erklärt. Es sei "ein unschätzbarer kultureller Wert, ein Weltkulturerbe, das wir haben".
Der Polizei gelang es trotz schnell eingeleiteter Großfahndung vor einem Jahr nicht, die Täter zu fassen. Sie gründete die Soko "Epaulette" und setzte gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft eine Belohnung von einer halben Million Euro für Hinweise, die zur Aufklärung des Verbrechens führen, aus.
Es hatte in den vergangenen Monate schon mehrere Einsätze in Berlin in dem Fall gegeben. Im September wurden zum Beispiel unter anderem Firmen durchsucht, die an dem Fluchtauto gearbeitet haben sollen. Die Beamten gingen nach früheren eigenen Angaben aber nicht davon aus, dass die Betriebe wussten, wofür das Fahrzeug verwendet werden sollte.
Hinweise auf die Täter oder den Verbleib des Diebesguts nimmt die Polizeidirektion Dresden weiterhin unter der Telefonnummer (0351) 4832233 entgegen.
Quellen: Polizei Sachsen (1), Polizei Sachsen (2), "Spiegel", "Bild"-Zeitung, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Nachrichtenagenturen DPA und AFP