Entscheidung in Karlsruhe "Deal" im Strafprozess - Entlastung oder Kuhhandel?

Eigentlich ist die Wahrheit vor Gericht nicht verhandelbar. Doch beim "Deal" im Strafprozess ist das manchmal anders. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht über dessen Zulässigkeit.

Schnelles Geständnis gegen milde Strafe - solche Absprachen sind in Strafprozessen nicht selten. Der sogenannte Deal ist sogar in der Strafprozessordnung geregelt. An diesem Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht darüber, ob und in welchen Fällen der Handel vor Gericht - oder oft auch im Hinterzimmer - gegen das Grundgesetz verstößt.

Um welche Fälle geht es in Karlsruhe?

Insgesamt liegen drei Verfassungsbeschwerden vor. In einem Fall wurde ein junger Polizist wegen schweren Raubes verurteilt. Er soll einem Schwarzmarkt-Händler Zigaretten abgenommen haben, um sie für sich selbst zu behalten. Das Gericht hatte ihn vor die Wahl gestellt: Ohne Geständnis müsste er mit einer Haftstrafe von vier Jahren rechnen, wenn er gesteht, könnte er mit zwei Jahren auf Bewährung davonkommen. Daraufhin erklärte der Angeklagte pauschal, die Vorwürfe entsprächen der Wahrheit. Zeugen wurden nicht mehr gehört. Der Mann wurde zur Bewährungsstrafe verurteilt. Später widerrief der Polizist sein Geständnis: Er habe es nur abgegeben, weil das Gericht ihn unter Druck gesetzt habe.

Wie sind Absprachen im Gesetz geregelt?

Seit 2009 ist der "Deal" in der Strafprozessordnung geregelt. Unter anderem muss die Absprache protokolliert werden, ein Verzicht auf Rechtsmittel ist unzulässig. Doch nach einer Studie, die das Bundesverfassungsgericht eigens erstellen ließ, nehmen es viele Richter in der Praxis mit diesen Regeln nicht so genau. So gaben fast 60 Prozent der Richter an, dass sie mehr als die Hälfte der Absprachen informell träfen.

Was spricht gegen den "Deal"?

Kritiker bemängeln, die Wahrheitsfindung komme beim "Deal" unter die Räder. Einer Studie zufolge überprüfen 28 Prozent der Richter nach einer Absprache nicht mehr so genau, ob ein Geständnis auch glaubwürdig ist. Die Mehrzahl der Verteidiger hatte schon Fälle, in denen Angeklagte ein möglicherweise falsches Geständnis ablegten, um eine mildere Strafe zu bekommen. Außerdem bevorzugt der "Deal" Täter, die sich ein Geständnis aufsparen, um einen Strafrabatt herauszuhandeln, gegenüber solchen, die sofort gestehen.

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Jochen Neumeyer, DPA

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