Hinweis: Dieser Text wurde auf stern.de bereits im Juli veröffentlicht. Er zählte zu den meistgelesenen Stücken des Jahres. Zum Jahresrückblick spielen wir die besten Artikel in loser Reihenfolge bis zum Ende des Jahres.
Martin Corona war ein gnadenloser Killer. Der 53-Jährige hat auf Anweisung eines mexikanischen Drogenkartells zahlreiche Menschen umgebracht. Ende Juli erscheinen in den USA seine Memoiren "Confessions of a Cartell Hitman". Mit der "New York Post" hat Corona über das Buch und seine Zeit als Auftragsmörder gesprochen: "Es ist ein übles Geschäft", zitiert die Zeitung den Sohn eines US-Marines. "Aber es ist ein Geschäft."
Corona gehörte zur Todesschwadron des Arellano-Félix-Kartells, das den Drogenhandel in Südkalifornien kontrollierte. Seine Aufgabe sei es gewesen, "von ihrem luxuriösen Versteck in Mexiko aus in die USA zu fahren, auszulöschen, wer auch immer nördlich der Grenze getötet werden sollte, und am Nachmittag wieder nach Hause zurückzukehren", heißt es in der Ankündigung der Memoiren.
Abzudrücken sei nur zehn Prozent des Jobs, erklärt Corona laut einer Vorabveröffentlichung des "Men's Journal" in dem Buch. "Die echte Arbeit ist die Falle, die Planung für den 'Oh, Scheiße'-Moment, wenn der Plan nicht aufgeht, aufzutauchen und ungeschoren davonzukommen."
"Töte mich nicht. Bitte. Töte mich nicht"
Corona schildert in seinen Erinnerungen auch seinen ersten Auftragsmord. Die Personen, die er gemeinsam mit zwei weiteren Kartellmitgliedern hinrichten sollte, seien "Soldaten" des berüchtigten Drogenbosses Joaquín "El Chapo" Guzmán gewesen, schreibt der Killer. Als er mit einer vollautomatischen Waffe in der Hand aus dem Auto gestiegen sei, um sie zu töten, habe er eine enorme Ruhe verspürt. "Alles schien sich zu verlangsamen, und ich bekam eine Art Tunnelblick." Ein Posten habe noch "Agua! Agua!" geschrien, ein codierter Warnruf, doch der sei zu spät gekommen.
Das erste Opfer habe ihm direkt in die Augen gesehen und sei erstarrt, da habe er ihm vier Kugeln in die Brust gejagt, berichtet Corona. Das zweite Opfer habe noch versucht, davonzulaufen. Er habe den Mann, der selbst an einem Mordanschlag in einer Diskothek beteiligt gewesen sei, mit mehreren Schüssen niedergestreckt. Der Drogenhändler habe noch gelebt und gefleht: "Töte mich nicht. Bitte. Töte mich nicht." Doch er habe sich über ihn gebeugt und sein gesamtes restliches Magazin in den Körper des Verletzten entleert.
"Ich bin nicht stolz auf meine Vergangenheit", sagte Corona der "New York Post". "Es ist wirklich demütigend, aufzuwachen, sich im Spiegel anzusehen und zu wissen, was man getan hat." Er hoffe, dass er mit seiner Geschichte andere davon überzeugen könne, nicht dieselben Entscheidungen zu treffen, die er getroffen habe.
Nach 16 Monaten steigt Martin Corona aus
Die Wende in Coronas Leben kam der Zeitung zufolge, als er den Auftrag bekommen habe, zwei angebliche Denunziantinnen zu töten. Der Killer habe die Frauen, von denen eine laut dem US-Magazin "The Atlantic" schwanger war, erschossen, während sie in einem Auto saßen. Anschließend habe er auf dem Rücksitz des Wagens die entsetzte siebenjährige Tochter eines der Opfer entdeckt. Nach diesem Auftrag habe Corona sich geschworen, mit dem Morden aufzuhören. "Diese Tat verfolgte mich", zitiert "The Atlantic" den Auftragsmörder. Nach 16 Monaten als "Hitman" des Arellano-Félix-Kartells sei er ausgestiegen und nach Kalifornien zurückgezogen. Als er dort wegen eines Waffenvergehens festgenommen worden sei, habe er herausgefunden, dass die US-Behörden eine umfangreiche Akte über seine Tätigkeit für die Drogenbande angelegt hatten. Er habe daraufhin mit der Staatsanwaltschaft einen Handel gemacht und gegen mehrere hochrangige Kartell-Mitglieder ausgesagt.
Corona wurde nach Angaben der "New York Post" im Jahr 2001 zu rund 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Seit 2014 sei er wieder auf freiem Fuß und befinde sich in einem Zeugenschutzprogramm. Der Journalist und Autor David Epstein schreibt in "The Atlantic", die Spezialagenten der US-Drogenpolizei, Dave Herrod und Steve Duncan, hätten berichtet, Martin Corona sei der einzige ehemalige Arellano-Félix-Angehörige, den sie jemals getroffen hätten, der seine Taten wirklich bereue.