Holzklotz-Anschlag Ein paar Spuren und viele Fragen

  • von Manuela Pfohl
Die Oldenburger Polizei verfolgt im Holzklotzfall diverse Spuren. Die Soko setzt nicht nur auf Hinweise der heimischen Bevölkerung, sondern auch auf einen anderen Klassiker der Verbrechensaufklärung. Sie baut auf die Hilfe von Aktenzeichen XY.

50 Plakate hat die Polizeiinspektion Oldenburg drucken lassen. Im A3-Format. Gestern haben die Kollegen von Polizeihauptkommissar Sascha Weiß begonnen, sie auszuteilen. An Tankstellen, Schulen und Geschäften, wie der Stadtbäckerei in Etzhorn.

Heute morgen, als die ersten Kunden in den Laden kamen, um frische Brötchen zu holen und den Frühstückskaffee zu trinken, hatte die Verkäuferin das Plakat schon an die Tür geklebt. Jeder soll es sehen. Den sonnig beschienenen Wald, der die Autobahn 29 am Kreuz Nord nahe der Abzweigung Ohmstede umgibt. Die Butjadinger Straße und die Wohnhäuser dahinter. Um die Brücke über die A29 haben die Grafiker einen großen roten Kreis gezogen. "Tatortbereich Tötungsdelikt am Ostersonntag, 23.03.08, gg. 20.00 h, durch einen Holzklotzwerfer" steht daneben. Und: "6000 Euro Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder der Täter führen!!!" Jeder hier im Ort weiß, worum es geht: Den Mord an Olga K.

Die 33-Jährige starb, nachdem ein bislang unbekannter Täter von der Brücke einen kiloschweren Holzklotz auf das Auto der Familie geworfen hatte. Olga K., die auf dem Beifahrersitz saß, hatte keine Chance. In Sekundenschnelle durchschlug das Holz die Windschutzscheibe des BMW und traf die Mutter zweier Kinder am Kopf. Als die Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes wenig später am Unfallort waren, konnten sie der jungen Frau nicht mehr helfen. Sie konnten sich nur noch um ihren Mann und die beiden sieben und neun Jahre alten Kinder kümmern, die kaum ertragen konnten, was sie eben erleben mussten.

Der Fall Oga K. ist anders

Polizeihauptkommissar Sascha Weiß kennt solche Bilder. Immer wieder steht er vor zerquetschten, manchmal ausgebrannten Unfallautos, vor sinnlos gestorbenen Opfern und fassungslosen Angehörigen. Das Osterwochenende machte da keine Ausnahme. Erst am Samstagmorgen waren eine Mutter aus dem benachbarten Uplengen und ihre beiden Kinder bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Gar nicht weit weg, in Hollriede. Einfach furchtbar. Und trotzdem: Der Fall Olga K. ist anders.

Noch in der Nacht von Ostersonntag zu Ostermontag haben die Ermittler eine Mordkommission gegründet. Soko "Brücke" soll herausfinden, wer den Holzklotz auf das Auto geworfen hat - und vor allem, warum. Immer wieder stellen sich die Polizisten dieselbe Frage. War es ein unüberlegter Streich Jugendlicher? Ein kaltblütig geplantes Verbrechen?

Der Leiter der kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Rudolf Egg, rechnet nicht mit einem erwachsenen Täter. Gerade bei 16- bis 20-Jährigen gelte das Spiel mit dem ultimativen Risiko als Kick, erklärt er. "Es geht ihnen nicht darum, jemanden umzubringen." Für den Wunsch nach einem Abenteuer nähmen die Täter aber möglicherweise die Katastrophe in Kauf. War es so im Fall Olga K.? Die Spurensuche ist mühselig.

Das entscheidende Puzzleteil fehlt

Da ist beispielsweise die Buslinie 310, die von Oldenburg über die Brücke nach Wahnbek führt. Am Ostersonntag war der Bus um 19.50 Uhr auf der Butjadinger Straße in Richtung Wahnbek unterwegs. "Die Linie war gut besetzt. Vielleicht hat ja jemand aus dem Fahrzeug heraus etwas beobachtet", hofft Weiß. Jeder Hinweis könne wichtig und vielleicht das entscheidende Teil im großen Puzzle sein.

"Nach der Tat, gegen 20.20 Uhr, wurde ein dunkler Wagen im Bereich Oldenburg Etzhorn und Wahnbek von einem Hinweisgeber gesichtet", berichtet der Polizist. Der Fahrer des Hamburger Mittelklassewagens sei sehr langsam gefahren. "Es hat wohl so ausgesehen, als ob er etwas sucht. Vielleicht hat er bei der Suche nach einer Adresse Personen gesehen, die für die polizeilichen Ermittlungen von Interesse sein könnten." Doch noch hat der Mann sich nicht bei der Soko gemeldet. Noch tappen die Ermittler im Dunkeln.

Gegenstände auf der Autobahn

Haben womöglich die Randalierer etwas mit dem Holzklotzanschlag zu tun, die in der Nacht zum Ostersonntag in Wiefelstede unterwegs waren? Kurz nach Mitternacht hatte eine Anwohnerin gemeldet, dass zwei Jugendliche Gullideckel aus der Kirchstraße gehoben hätten und anschließend davon gerannt seien. Ein Glück, dass nichts passiert ist.

Gibt es einen Zusammenhang mit dem Vorfall auf der Autobahn 39? Gegen 19.30 Uhr am Ostersonntag wurde in einer Verkehrsmeldung vor Gegenständen auf der Fahrbahn gewarnt. Wer hat die geworfen? Waren es dieselben Täter?

Mehr als 350 Leute sind inzwischen von den Ermittlern befragt und hunderte Hinweise ausgewertet worden. Mit wenig Erfolg. Deshalb auch das Plakat und die Bitte um Mithilfe bei der Aufklärung des Falls. Plus Fahndungsbild. Das haben die Polizisten nach ersten Hinweisen anfertigen lassen. Es zeigt vier Jugendliche. Drei Jungs und ein Mädchen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren. Sie sollen sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Tat auf der Brücke aufgehalten haben. Haben sie den Klotz geworfen?

"Bis zum frühen Nachmittag haben sich schon rund 50 Leute auf unsere Aktion gemeldet", sagt Sascha Weiß. Vielleicht ist der entscheidende Hinweis dabei. Vielleicht hilft ja auch Aktenzeichen XY …ungelöst. Soko-Chef Reiner Gerke wird heute Abend in dem ZDF-Magazin den Fall noch einmal vorstellen. Versuch und Hoffnung zugleich. Denn mittlerweise geht die Angst um auf deutschen Straßen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des stern fürchten sich 60 Prozent der Befragten vor weiteren Anschlägen wie dem von Oldenburg.

Es kann alle erwischen

Im westfälischen Telgte, wo Olga K. mit ihrer Familie bis zum Ostersonntag lebte, herrscht neben der Angst auch blanke Wut. "Was können sich die Täter gedacht haben. Waren sie betrunken, dumm, kriminell?" Die Frau hinter der Kasse eines Zeitschriftenladens schüttelt den Kopf. Diese Tat sei kein Missgeschick, sondern Absicht gewesen, meint eine Kundin. Man müsse die Kriminellen hart zur Rechenschaft ziehen. "Wenn man darüber nachdenkt, weiß man, dass es alle erwischen kann. Meine Tochter. Mich", sagt die ältere Dame, ehe sie mit dem Fahrrad davon fährt.

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