Von Beruf ist Gerhard Dahlmann Chemiker. Erzählt der 54-Jährige aber von seiner Arbeit, klingt er eher wie ein moderner Sherlock Holmes - ein Detektiv mit Fachgebiet Öl. Um "Fingerabdrücke" und Tatverdächtige geht es, wenn Dahlmann im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Ölproben aus Nord- und Ostsee auf ihre Herkunft untersucht. Derzeit versucht er, mit Technikerin Gerda Ackermann und Ingenieur Winfried Ebeling den Verantwortlichen für den Tod der rund 1300 verölten Vögel an der Nordseeküste auf die Schliche zu kommen.
"Jedes Öl hat seine eigene Geschichte, jede Quelle unterscheidet sich von der anderen", erklärt Dahlmann. Aus mehr als 400 Komponenten besteht das schwarze Gold, und denen rücken der Chemiker und sein Team zu Leibe. Sie analysieren Biomasse und Alterung und prüfen, ob es sich um Motor-, Schwer- oder Rohöl handelt. Nach und nach erstellen sie einen "Fingerabdruck" der Probe. Wie andere Leute einen gut sortierten Weinkeller, pflegt Dahlmann eine "sehr schöne Ölsammlung" im Keller des BSH.
Schlaue Tricks und falsche Fährten
Mit mehr als 3000 Proben kann er den aktuellen Fall abgleichen. Auch die vermeintlich schlauen Tricks der Umweltverschmutzer können Dahlmann nicht täuschen. "Die lassen ihr Öl manchmal extra zwischen den dänischen Bohrinseln ab, um eine falsche Fährte zu legen. Was die nicht wissen ist, dass wir Proben von allen dänischen Plattformen hier haben. Und libysches Öl unterscheidet sich beispielsweise ganz deutlich von dänischem."
Selbst wenn kein Vergleichsmaterial vorliegt, können die BSH-Detektive die geographische Herkunft ungefähr bestimmen. So konnten sie im aktuellen Fall bereits bekannt geben, dass die Nordsee-Vögel an Schweröl aus dem russisch-baltischen Raum verenden, das von zwei verschiedenen Schiffen abgelassen wurde. Hat Dahlmann einen "Fingerabdruck" ermittelt, kann er oft schon sagen, ob es sich um einen großen Tanker oder ein kleines Schiff handelt. Mit einer Driftberechnung verfolgt er zurück, von welchem Tatort und zu welcher Tatzeit die Strömung das Öl angetrieben hat. "Dann kann man den Kreis oft auf drei, vier Schiffe eingrenzen, von denen wiederum Proben genommen werden." Die fünf größten Verschmutzungen der vergangenen 25 Jahre konnten alle aufgeklärt werden.
Rund 40 Fälle bearbeitet Dahlmann pro Jahr. "Dann läuft er auf Hochtouren", sagt sein Chef, BSH-Direktor Hartmut Nies. "Es ist befriedigend, wenn man Menschen helfen kann, die sonst hilflos wären", sagt Dahlmann. Auch am Wochenende brütet er zu Hause über Biomarkern und Siedepunkten. "Meine Frau hat Gott sei Dank ein eigenes Hobby." Zwar arbeiten Wissenschaftler in vielen Ländern inzwischen ähnlich detektivisch, Anfragen bekommt der 54-Jährige aber immer noch von ausländischen Ermittlern. "Einmal bin ich wegen einer Expertise vor einem Gericht in Neuseeland acht Stunden lang ins Kreuzverhör genommen worden."
Verschärfte Überwachungsmaßnahmen
Der Höhepunkt der Umweltverschmutzungen in Nord- und Ostsee sei in den 80er Jahren überschritten worden, sagt Nies. Dann seien die Überwachungsmaßnahmen verschärft worden. Auch die Zusammenarbeit mit der Ölindustrie verlaufe heute reibungslos. Im vergangenen Jahr schickte Exxon 150 Proben von neu erschlossenen Ölquellen ans BSH. Gerhard Dahlmann konnte seine Rohölexponate damit auf einen Schlag verdoppeln.