Militärstaatsanwalt schießt sich in den Kopf Selbstmordversuch ruft Krise hervor

Der Selbstmordversuch eines polnischen Militärstaatsanwalts schockt Polen und löst eine schwere Krise zwischen ziviler und militärischer Anklagebehörde aus. Einmal mehr wirft die Flugzeugtragödie von Smolensk lange Schatten.

Oberst Mikolaj Przybyl, stellvertretender Leiter der Militärstaatsanwaltschaft Posen (Poznan), lächelte am Montag noch freundlich in die Fernsehkameras, ehe er die Journalisten aus dem Raum bat - dann fiel ein Schuss. Przybyls Selbstmordversuch löste nicht nur Bestürzung aus, sondern einen heftigen Konflikt zwischen militärischer und ziviler Staatsanwaltschaft. Auch die Erleichterung über die Nachricht, er sei außer Lebensgefahr, hat das Klima zwischen den beiden Anklagebehörden nur wenig entspannt.

In der Pressekonferenz hatte Przybyl kräftig ausgeteilt - gegen die Generalstaatsanwaltschaft, aber auch gegen die Medien, denen er nach Berichten über einen angeblichen Lauschangriff eine Kampagne gegen seine Behörde vorwarf. Es ging einmal mehr auch um den Umgang mit der Flugzeugkatastrophe von Smolensk, bei der 2010 der damalige polnische Staatspräsident Lech Kaczynski und zahlreiche Vertreter der politischen Elite des Landes ums Leben kamen.

Polen ist seit dem Absturz in zwei Lager geteilt

Seit dem Absturz der Präsidentenmaschine ist Polen in zwei Lager geteilt - die einen halten den Untersuchungsbericht für glaubwürdig, der technische Mängel und Fehler der Piloten als Unglücksursache angibt, die anderen schüren Verschwörungstheorien und sind sicher, dass es nicht mit rechten Dingen zuging. Jede Einzelheit der Ermittlungen wurde in der Öffentlichkeit gierig aufgesogen. Auch vertrauliche Informationen gelangten in die Öffentlichkeit. Przybyl war einer der Militärjuristen, die ermittelten, wer gegen das Dienstgeheimnis verstoßen hatte.

Das Recht sei dabei nicht verletzt worden, versicherte Przybyl. Dagegen hatten zwei Journalisten berichtet, ihre Mobiltelefon-Betreiber hätten Anfragen über Telefonabrechnungen und SMS-Nachrichten erhalten. Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet beeilte sich zu erklären, ein solches Vorgehen hätte keinerlei rechtliche Grundlage.

Am Dienstag meldete sich Przybyl einmal mehr zu Wort. "Ich habe die Ehre der Menschen geschützt, die ich kenne und die ausgezeichnete Arbeit leisten", sagte er in einem Telefongespräch mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP über seine Verzweiflungstat. "Ich wollte, dass die (Militär-)Staatsanwaltschaft weiterbesteht."

Linksopposition verlangt parlamentarische Untersuchung

Bereits am Montag hatte Przybyl den Kollegen der zivilen Anklagebehörde vorgeworfen, sie wollten die Militärstaatsanwaltschaft auflösen. Kompetenzgerangel zwischen Behörden gibt es immer wieder - doch nach Ansicht von Przybyl, der sich vor allem mit Ermittlungen zu organisierter Wirtschaftskriminalität befasste, steckt mehr dahinter: "Es geht nicht nur um Hunderte Millionen Zloty aus staatlichen Mitteln, sondern vor allem um das Leben und die Gesundheit polnischer Soldaten, die oft unzureichende oder kaputte Ausrüstung erhalten", klagte er.

Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski spricht bereits von einer tiefen Krise des Justizwesens in Polen - und auch die Linksopposition will eine parlamentarische Untersuchung des Vorfalls, der die Polen einmal mehr rätseln lässt: Menschliche Tragödie oder dramatischer Knalleffekt im "Krieg der Staatsanwaltschaften"?

DPA
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