Nach einem Aufnahmeritual einer Studentenverbindung der Universität von Missouri, das einen Studienanfänger zu einem lebenslangen Pflegefall werden ließ, hat ein Geschworenengericht zwei ehemalige Mitglieder der Verbindung angeklagt. Dem etwa 20 Jahre alten Ryan D. und dem 21-jährigen Thomas S. werden ein kriminelles Aufnahmeritual sowie die Abgabe von Alkohol an minderjährige oder alkoholisierte Personen vorgeworfen, wie US-Medien berichten.
Der 19 Jahre alte Daniel Santulli hatte schwere Hirnschäden erlitten, nachdem die Bruderschaft Phi Gamma Delta der Universität in Columbia ihn im Oktober 2021 einer Prüfung unterzogen hatte, bei der er eine 1-Liter-Flasche Wodka austrinken musste und ihm Bier eingeflößt wurde. Santulli ist seither blind und er kann weder sprechen noch gehen. Er wird zu Hause von seinen Eltern betreut, die Zivilklagen gegen die Studentenverbindung und ihre Mitglieder eingereicht haben.
"Es ist so schrecklich, wie es nur sein kann, ohne tot zu sein", schilderte der Anwalt der Familie, David Bianchi, nach Angaben der regionalen Zeitung "St. Louis Post-Dispatch" den Zustand des Opfers. "Das ist der schlimmste Fall von Schikane durch eine Studentenverbindung, den es je in den Vereinigten Staaten gegeben hat." Er bearbeite seit 30 Jahren derartige Fälle, kenne die Palette an Aufnahmeschikanen und die Strafverteidiger, die die Bruderschaften verteidigten, erklärte Bianchi. "Und alle sind sich einig, dass dies der schlimmste Fall aller Zeiten ist."
Tatsächlich kommt es im Zusammenhang mit Aufnahmeritualen an Schulen, Vereinen oder anderen Organisationen in den USA immer wieder zu Todesfällen. Nach Angaben von Hank Nuwer, Professor am Franklin College in Indiana, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst und eine Statistik dazu führt, gab es seit 1959 nahezu kein Jahr, in dem nicht mindestens ein Todesfall gemeldet wurde.
Santulli brach vor Stress weinend zusammen
Bianchi hatte ursprünglich Zivilklagen gegen 23 Mitglieder von Phi Gamma Delta eingereicht, berichtet die "St. Louis Post-Dispatch". Bis auf zwei hätten sich alle außergerichtlich mit der Familie geeinigt. Er hoffe, dass es weitere Anklagen geben werde, aber das liege in der Hand des Staatsanwalts, sagte der Anwalt der Zeitung. "Es gibt wahrscheinlich ein weiteres Dutzend oder mehr Verbindungsmitglieder, die für dieses Aufnahme-Event verantwortlich waren."
Santulli hatte in der Highschool Basketball und Baseball gespielt und war nach seinem Wechsel auf die Uni im Sommer 2021 von einem Phi-Gamma-Delta-Mitglied angeworben worden. In der Nacht des 19. Oktober 2021 sei er im Haus der Verbindung zur sogenannten "Pledge Dad Reveal Night" erschienen, in der ihn sein "Einführungspate" durch ein Initiationsritual führen sollte, heißt es den Medienberichten zufolge in der Klageschrift.
Das Opfer hatte demnach zuvor wochenlang unter Schlafentzug und Stress gelitten, weil ihm im Rahmen des Aufnahmeprozesses "wiederholt befohlen wurde, die Zimmer der Brüder zu reinigen und ihnen zu jeder Nachtzeit Essen, Alkohol und Marihuana zu bringen". Außerdem habe Santulli in einen Mülleimer mit Glasscherben klettern müssen und sich dabei eine schwere Schnittwunde am Fuß zugezogen, die genäht werden musste und ihn zwang, auf Krücken zu gehen. Zwei Abende vor der "Pledge Night" sei er bei seiner Schwester weinend zusammengebrochen. Seine Eltern hätten ihm daraufhin gesagt, er solle die Aufnahmeprüfung abbrechen.
Schonungslose Drogenbeichten: Fünf Hörbücher über die Sucht

Manche Leser behaupten, dass sie nach der Lektüre von "Panikherz" mehr über Udo Lindenberg als über Benjamin von Stuckrad-Barre wissen. Aber selbst wenn sich der ehemalige Popliterat in dieser knallbunt-abgründigen Lebensbeichte teilweise etwas zu arg auf sein großes Vorbild bezieht, ginge dieses Buch immer noch als eines der schonungslosen Suchtbücher der deutschen Literaturgeschichte durch – schließlich hat Lindenberg ebenfalls jahrzehntelang nicht ins Glas gespuckt.
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"Danny war jedoch kein Drückeberger", heißt es den Berichten zufolge in der Klageschrift weiter. "Und wie so viele seiner Vorgänger wollte er nicht von denjenigen gedemütigt und lächerlich gemacht werden, in deren Reihen er sich einreihen wollte. Die Angeklagten wussten das und hatten das alles schon erlebt."
Thomas S. sei der Vizepräsident der Bruderschaft gewesen und habe den Wodka besorgt und Ryan D. habe dem Opfer die Flasche gegeben und es angewiesen sie auszutrinken. Ein weiteres Mitglied habe ihm mit einem Trichter und einem Schlauch Bier eingeflößt. Eigentlich habe Phi Gamma Delta in seinen Verbindungshäusern ein striktes Alkoholverbot, aber es sei bekannt, dass die Mitglieder "seit Jahren gegen diese Werte verstoßen hatten".
Universität von Missouri leitet Disziplinarverfahren ein
Nachdem Santulli umgefallen sei, wurde er den Medienberichten zufolge mit einem Blutalkoholspiegel von 4,68 Promille auf eine Couch gelegt. Ein Mitglied der Bruderschaft habe gesehen, dass sich sein Zustand verschlechtert habe, ohne ihm zu helfen. Schließlich sei der 19-Jährige teilweise von der Couch gerutscht und mit dem Gesicht auf dem Boden gelandet. Seine Haut sei blass und seine Lippen seien blau gewesen. Die Mitglieder hätten ihn daraufhin in ein Krankenhaus gefahren, wo das Personal festgestellt habe, dass er nicht mehr atmete und sein Herz stehen geblieben war. Er sei dann reanimiert und an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden.
"Tage später wurde er vom Beatmungsgerät abgenommen und fing an, selbstständig zu atmen, aber er war nicht ansprechbar, nahm seine Umgebung nicht wahr, konnte nicht kommunizieren und hatte eine schwere Gehirnverletzung", zitiert die "St. Louis Post-Dispatch" aus der Klageschrift. "In diesem Zustand befindet er sich bis zum heutigen Tag."
Der Verband von Phi Gamma Delta wurde inzwischen vom Campus entfernt. Die Universität erklärte im Mai in einer Pressemitteilung, dass gegen 13 Studenten ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Nähere Angaben dazu machte sie nicht.
Quellen: "St. Louis Post-Dispatch, Fox News, Time Magazine, Hank Nuwer