True-Crime-Doku War alles ganz anders? Vor 36 Jahren erschütterte die Mordsache Monika Weimar die Bundesrepublik – jetzt gibt es neue Entwicklungen

Opener RTL Doku Das Geheimnis der Weimar Morde"
Die dreiteilige von "Spiegel TV" produzierte True-Crime-Dokumentation ist ab Montag, 7. März, auf der Streamingplattform RTL+ abrufbar
© RTL / stern
Wie kaum ein anderer Kriminalfall haben sich die Weimar-Morde in das kollektive Gedächtnis gebrannt. In einer dreiteiligen True-Crime-Doku zeichnet RTL+ die Ereignisse rund um die spektakuläre Prozess-Serie gegen Monika Weimar in den 80er und 90er Jahren jetzt noch einmal nach – und bringt dabei neue Informationen ans Licht.

Es gibt nur wenige Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik, da reicht allein ein Name aus – und schon ist die Erinnerung wieder da. Die Ermordung von Rosemarie Nitribitt in den späten 50er Jahren. Die Verurteilung von Ingrid van Bergen, wegen der tödlichen Schüsse auf ihren Geliebten. Oder eben: der Fall Monika Weimar, die in den 80er und 90er Jahren drei Mal wegen der Tötung ihrer beiden kleinen Töchter vor Gericht stand.

Allein das Verbrechen war furchtbar genug, die Ermordung von zwei unschuldigen kleinen Kindern, Melanie und Karola, damals sieben und fünf Jahre alt. Hinzu kam, dass scheinbar nur zwei Menschen als Täter infrage kamen: die Mutter, Monika Weimar, geborene Böttcher. Oder der Vater, Reinhard Weimar, die sich in ihren Aussagen zum Teil gegenseitig der Tat bezichtigten. Und dann war da die Aufarbeitung durch die Justiz, die in einer Atmosphäre irgendwo zwischen Stadion und Schauprozess stattfand. Lebenslänglich – Freispruch – erneut lebenslang lauteten die Urteile von drei unterschiedlichen Gerichten, vor denen sich Monika Böttcher, wie sie sich nach ihrer Scheidung im Jahr 1987 wieder nannte, verantworten musste. Insgesamt 15 Jahre saß Böttcher in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim, ehe sie im August 2006 aus der Haft entlassen wurde.

Monika Weimar
Eines der letzten Bilder von Monika Böttcher auf einer Pressekonferenz im Jahr 2000. Kurz danach musste sie wieder in die Haftanstalt Preungesheim einrücken und noch sechs Jahre ihrer Strafe absitzen
© Stephanie Pilick/ / Picture Alliance

Beinahe 36 Jahre liegt die Tat nun schon zurück. Allein die Tatsache, dass Böttcher drei Mal vor Gericht stand und zwei Mal verurteilt wurde – das letzte Mal im Dezember 1999 – macht den Fall historisch außergewöhnlich. Außergewöhnlich waren auch die Emotionen, die das Justizdrama begleiteten und die Öffentlichkeit und Medien in zwei unversöhnliche Lager spalteten: Sie oder Er? Schuldig oder Unschuldig – dazwischen gab es scheinbar nichts.

In der dreiteiligen, von "Spiegel TV" produzierten True-Crime-Dokumentation "Das Geheimnis der Weimar Morde" zeichnet RTL+ (abrufbar ab Montag, 7. März) die Ereignisse von damals noch einmal nach. Zu Wort kommen Ermittler, Richter, Anwälte und Prozessbeobachter. Und noch heute, fast 36 Jahre später, spürt man das Unbehagen, das die Prozessbeteiligten bei ihrer Erinnerung ergreift. Ob damals tatsächlich Recht gesprochen worden ist, oder ob Monika Böttcher vielleicht doch unschuldig hinter Gittern saß. Ob man ihr durch den Urteilsspruch womöglich einen Großteil ihrer Lebensjahre genommen hat.

Karola und Melanie Weimar wurden erwürgt und erstickt

Rückblende: Am 4. August 1986 werden die beiden Kinder Karola (5) und Melanie (7) als vermisst gemeldet. Drei Tage später werden die Leichen der beiden Mädchen an unterschiedlichen Stellen nahe ihres Elternhauses im hessischen Philippsthal gefunden. Die Obduktion ergibt, dass beide spätestens am Morgen des 4. August erwürgt bzw. erstickt worden sind.

Melanie und Karola Weimar
Die beiden Mädchen Melanie (l.) und Karola Weimar wurden am 4. August 1986 ermordet, ihre Leichen drei Tage später in der Nähe ihres Elternhauses gefunden 
© Archiv/ / Picture Alliance

Die Aussagen insbesondere von Monika Böttcher sind extrem widersprüchlich. Zunächst behauptet sie, den Kindern am Morgen ein Frühstück gemacht zu haben und sie dann zu einem Spielplatz in der Nähe des Hauses geschickt zu haben. Sie selbst sei dann zu Besorgungen aufgebrochen. Erst nach ihrer Rückkehr, bei den Vorbereitungen zum Mittagessen, habe sie dann das Verschwinden der Kinder bemerkt. Diese Version ist als "Tagversion" in die Vernehmungsakten eingegangen.

Monika Weimar belastet in der "Nachtversion" ihren Ehemann

Die Ermittlungen lassen Zweifel an dieser Darstellung aufkommen, so dass Monika Böttcher am 28. August verhaftet wird. In einer erneuten Vernehmung schildert sie daraufhin eine komplett andere Version der Ereignisse des 4. Januar und belastet ihren Ehemann Reinhard. Sie sei in der fraglichen Nacht um 3 Uhr nach Hause gekommen und habe ihren Mann an den Betten der toten Kinder angetroffen. Die Leichen seien noch warm gewesen. Ihr Mann habe dann die leblosen Körper entsorgt und ihr bei seiner Rückkehr gesagt: "Jetzt kriegt keiner mehr die Kinder." Diese sogenannte "Nachtversion" erhält Monika Weimar in allen drei Verfahren aufrecht.

Die Ermittler legen sich schnell fest, dass nur Mutter oder Vater als Täter infrage kommen. Eine dritte Person schließen sie aus. Im Oktober wird nach zahlreichen Volten bei den Ermittlungen schließlich Haftbefehl gegen Monika Böttcher erlassen.

Ortstermin Weimar-Morde
Bei einem Ortstermin versucht das Gericht, die Ereignisse in der Mordnacht zu rekonstruieren. In der Mitte: Monika Böttcher
© Frank_Kleefeldt/ / Picture Alliance

In einem ersten Prozess vor dem Landgericht Fulda wird sie am 8. Januar 1988 schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Zur Begründung führen die Richter an, dass Kinder ihrer Liebesbeziehung zu Kevin Pratt im Wege gewesen seien, einem US-Soldaten, mit dem sich Monika Böttcher ein gemeinsames Leben in den USA erträumt habe. Das Urteil stützt sich auf Aussagen von Zeugen, die die Kinder am Morgen des 4. August noch lebend gesehen haben wollen sowie auf ein Fasergutachten. Zudem kann Monika Böttcher nicht schlüssig erklären, warum sie die Polizei zunächst mit der "Tagversion" in die Irre geführt hat, um dann letztlich doch ihren Mann zu beschuldigen. Insbesondere ihr eigenes Verhalten in der von ihr vorgebrachten "Nachtversion" irritiert das Gericht. Warum sie beim vermeintlichen Auffinden der toten Kinder nicht sofort nach Hilfe gerufen hat, ihren Mann sogar noch bei ihren Vernehmungen Wochen nach der Tat gedeckt hat, ist in den Augen der Richter mit Schock und Schuldgefühlen nicht zu erklären.

Böttchers neuer Anwalt, der Hamburger Gerhard Strate, erreicht mit einem neuen Fasergutachten nach Jahren eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Im April 1997 spricht das Landgericht Gießen Monika Böttcher aus Mangel an Beweisen frei.

Die Staatsanwaltschaft und Reinhard Weimar legen Revision ein, der vom Bundesgerichtshof stattgegeben wird. Die Beweisführung sei "in zentralen Punkten widersprüchlich". Es kommt im September 1999 zum dritten Prozess vor dem Frankfurter Landgericht. Böttcher hält die "Nachtversion" aufrecht und beschuldigt ihren Ex-Ehemann Reinhard. Am 22. Dezember 1999 ergeht das Urteil. Böttcher wird erneut schuldig gesprochen, das Gericht erkennt allerdings nicht auf besondere Schwere der Schuld. Eine Revision wird verworfen. Monika Böttcher sitzt die restlichen sechs Jahre ihrer Strafe ab, ehe sie 2006 entlassen wird.

Schaulustige Weimar-Prozess
Die Verfahren gegen Monika Böttcher fanden unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Zeitweise herrschte eine aufgeheizte Stimmung, die durchaus etwas von einem Hexenprozess hatte
© Katja Lenz/ / Picture Alliance

Selbst im Rückblick klingt der Fall verworren und abstrus. Es gab die kühle, verdruckste Mutter, die sich in Widersprüche verwickelte. Einen psychisch labilen Ehemann, der sich mancherorts selbst der Täterschaft bezichtigt haben soll. Zeugenaussagen passten nicht zusammen. Der mutmaßliche Tathergang, wonach Monika Böttcher die Kinder auf ihrer Einkaufsfahrt am 4. August 1986 nacheinander erwürgt haben soll, wirkt wenig überzeugend. Und auch das Motiv gibt Rätsel auf. Kevin Pratt, der Geliebte von Monika Böttcher, verstand sich gut mit den Kindern. Einem gemeinsamen Leben in den USA, wie es sich Böttcher ausgemalt hatte, hätten sie nicht im Wege gestanden. Und falls Pratt sich geweigert hätte, Böttcher in die USA mitzunehmen, hätten sie erst recht nicht sterben müssen.

Wenig passt zusammen, was auch mit der Festlegung der Polizei auf eine Beziehungstat zu tun hat. Es gab scheinbar nur die Alternative Sie oder Er, ein dritter Täter kam nie ernsthaft in Betracht. Was in der Rückschau durchaus befremdlich wirkt. Denn die Lebenssituation in dem Wohnhaus in der Ausbacher Straße 3 war schon sehr besonders. Das Haus wurde komplett von Mitgliedern der Familie Weimar/Böttcher bewohnt. Neben Monika Böttcher und ihrem Ehemann Reinhard lebten dort ihre ältere Schwester mit ihrem Ehemann, einem US-Amerikaner, ihre jüngere Schwester mit ihrem Mann sowie ihre Mutter und ihre Großmutter. Die Familienmitglieder gingen in den jeweiligen Wohnungen ein und aus. Melanie und Karola waren oft in der Obhut von Onkel und Tanten bzw. Oma und Ur-Oma.

Gab es ein zentrales Versäumnis bei den Ermittlungen?

Warum die Ermittler nie ernsthaft von einer dritten Person als Täter ausgegangen sind, stellt sich womöglich als ein zentrales Versäumnis bei den Ermittlungen dar. Denn bei den Recherchen zu der True-Crime-Doku ist das Team von "Spiegel TV" auf Material gestoßen, das den ehemaligen Schwager von Monika Böttcher belastet. Der ehemalige US-Soldat, der in Philippsthal stationiert war, wurde einige Jahre nach dem Mord an den Böttcher-Kindern wegen sexuellem Missbrauch in den USA angeklagt und verurteilt. In einem Interview mit dem "Spiegel TV"-Team weist er jeglichen Verdacht von sich, an den Taten in Deutschland beteiligt zu sein.

Rechtsanwal Gerhard Strate
Bis heute vertritt der Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate die Interessen von Monika Böttcher
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Rechtsanwalt Gerhard Strate jedenfalls, der noch immer die Interessen von Monika Böttcher vertritt, ist sicher: "Diese Alternative, dass ein Dritter, als Täter auch in Betracht kommt, ist eine Konstellation, die uns auch massiv der Wahrheit näher bringt." Strate hat inzwischen die DNA an der Bettwäsche von Melanie und Karola Weimar untersuchen lassen. Dabei wurden männliche DNA-Spuren unklaren Ursprungs entdeckt. Strate strebt nun den Vergleich dieser Spuren mit der DNA des ehemaligen Schwagers von Monika Böttcher an.

Übereinstimmender DNA-Abgleich könnte Verurteilung von Monika Böttcher in Zweifel ziehen

Selbst eine Übereinstimmung würde jedoch nicht zwangsläufig auf eine Täterschaft hinweisen, da der Schwager aufgrund der besonderen Wohnsituation regelmäßigen Umgang mit den Kindern hatte, die Spur also auch bei einer ganz harmlosen Zusammenkunft entstanden sein könnte. Allerdings würde dadurch die Verurteilung von Monika Böttcher in Zweifel gezogen.

Böttcher-Anwalt Gerhard Strate ist sich sicher: "Wenn ich gewusst hätte, dass zur selben Zeit ein Angehöriger von Monika Böttcher in Amerika angeklagt ist wegen sexuellem Missbrauch von minderjährigen Kindern, (…) hätte es nie eine Verurteilung von Frau Böttcher gegeben."

Die dreiteilige, von "Spiegel TV"-produzierte True-Crime-Dokumentation "Das Geheimnis der Weimar Morde - Eine neue Spur" ist ab dem 7. März auf dem Streamingportal RTL+ zu sehen.

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