Nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage des Segelschulschiffs "Gorch Fock" im November werfen Kameraden den Ausbildern massiven Druck bis hin zur Nötigung vor. Dies geht aus einem Brief des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) an den Verteidigungsausschuss hervor. Nach dem Vorfall kam es demnach zu Spannungen zwischen der Crew und der Schiffsführung, die vier der Offiziersanwärter der Meuterei beschuldigte.
In dem dreiseitigen Schreiben berichtet Königshaus von Gesprächen eines seiner Mitarbeiter mit Offiziersanwärtern, die zum Zeitpunkt des Unfalls sowie auf dem vorherigen Törn auf dem Schulschiff eingesetzt waren. Demnach berichteten die Kadetten von massivem Druck der Ausbilder. Wollte jemand nicht aufentern, also die Takelage hinaufklettern, sei "zum Teil sehr starker Druck aufgebaut worden. Von manchen wurde dies als Nötigung empfunden", schreibt Königshaus. Den Kadetten sei gedroht worden, andernfalls nicht mehr Offizier werden zu können. Es seien Sätze gefallen wie "Wenn Sie nicht hochgehen, fliegen Sie morgen nach Hause" oder "Wenn Sie das nicht schaffen, wie wollen Sie dann Menschen führen?" So sei auch ein Offiziersanwärter mit ausgeprägter Höhenangst dazu gebracht worden, auf den höchsten Mast zu klettern.
Auch Vorwurf sexueller Belästigung
Nach dem tödlichen Sturz ihrer Kameradin aufs Deck am 7. November hätten "viele nicht mehr aufentern" wollen, "andere wollten nicht mit der Gorch Fock weiterfahren", schreibt der Wehrbeauftragte. Zwei von der Schiffsführung als Vermittler eingesetzte Offiziersanwärter wurden demnach von Kommandant und Erstem Offizier kurz darauf mit dem Vorwurf der Meuterei und des Aufhetzens der Crew konfrontiert. In dem Brief geht es zudem um einen Fall sexueller Belästigung eines Obergefreiten durch Kameraden. Die Marine geht jetzt dem Verdacht auf Meuterei nach. Es seien von Amts wegen Ermittlungen aufgenommen worden, sagte ein Sprecher von Königshaus. Vergangene Woche reiste eine Delegation des Wehrbeauftragten zu ersten Gesprächen zu der Besatzung. Das legendäre Schiff hatte jüngst das Kap Hoorn umrundet. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der Verteidigungsausschuss sind informiert. Dort sorgten die Vorfälle für große Aufregung. Und nicht nur die: Schließlich brachte auch die geöffnete Feldpost aus Afghanistan am Mittwoch Unruhe in die Bundeswehr.