Ein Londoner Gericht hat Nigerias früheren Vize-Parlamentspräsidenten Ike Ekweremadu zu neun Jahren und acht Monaten, dessen Frau zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Grund: Sie sollen einen jungen Straßenhändler aus Lagos unter einem Vorwand nach Großbritannien gelockt haben, um ihm dort seine Niere entnehmen zu lassen. Das Organ sei für ihre kranke Tochter bestimmt gewesen.
Erstes Urteil in Großbritannien wegen "moderner Sklaverei"
Die Ekweremadus hätten damit "Menschenhandel über internationale Grenzen hinweg" begangen. Beim Organraub, so Richter Jeremy Johnson, seien Menschen und ihre Körper nichts anderes als "Ware, die gekauft und verkauft werden kann". Das sei im Endeffekt nichts anderes als "eine Form der Sklaverei". Das Ehepaar wurde bereits im März schuldig gesprochen. Mit der Verkündung des Strafmaßes am Freitag wurden erstmals Angeklagte in Großbritannien nach dem "Modern Slavery Act" rechtskräftig verurteilt.
Die "treibende Kraft" hinter dem Komplott sei der 60-jährige Politiker gewesen, weshalb sein Urteil deutlich härter ausfiel. Er müsse mindestens zwei Drittel der Strafe hinter Gittern verbringen. Johnson nannte die Tat einen "widerwärtigen Handel", bei dem "die Armut, Not und Verzweiflung" von verletzlichen Menschen ausgenutzt worden seien.
Auch der Arzt der Familie, der als Mittelsmann für den versuchten Organraub diente, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Es soll nicht das erste Mal gewesen sein, dass der 51-Jährige in illegalen Organhandel verstrickt war. Berichten zufolge soll der Mediziner im Juli 2021 selbst eine Niere von einem anderen Mann erhalten haben, der angeblich zuvor aus Nigeria nach Großbritannien geschmuggelt worden war.
Ehepaar lockt jungen Mann unter falschen Versprechen nach London
Das Ehepaar habe den 21-jährigen Straßenhändler aus Nigerias Millionenmetropole Lagos unter falschen Versprechen nach London gelockt. Der junge Mann sei im Februar 2022 nach England geflogen – man habe ihm versichert, dass dort ein Job auf ihn warte. Zwar habe er laut BBC medizinischen Untersuchungen in Lagos und London zugestimmt – jedoch im Irrglauben, diese seien im Zuge der Corona-Pandemie für ein britisches Visum erforderlich.
Tatsächlich sollte er als unfreiwilliger Organspender für die 25-jährige Tochter des Ehepaars herhalten – wovon er jedoch erst vor Ort erfahren habe. Umgerechnet knapp 8000 Euro habe man ihm für sein Organ angeboten. Nierenspenden sind im Vereinigten Königreich nicht illegal – jemanden dafür zu bezahlen allerdings sehr wohl. Er weigerte sich. "Mein Körper steht nicht zum Verkauf", sagte der Mann vor später Gericht. Zwei Monate später sei der 21-Jährige zur Polizei gegangen – aus Angst, man könne sich ihn nach seiner Rückkehr nach Nigeria erneut für eine Transplantation vornehmen.
Die Organentnahme sollte in einer privaten Station des Londoner Royal Free Hospital für umgerechnet rund 90.000 Euro durchgeführt werden. Zum Glück des Opfers wurde laut Medienberichten ein Arzt der Londoner Klinik misstrauisch – das Krankenhaus lehnte die OP im März 2022 schließlich ab. Damit war es allerdings mutmaßlich nicht vorbei: Als ihr Plan aufzufliegen drohte, hätten sich die Ekweremadus nach "Ersatz" in der Türkei umgeschaut, so die Staatsanwaltschaft.

Opfer will aus Angst nicht nach Nigeria zurückkehren
"Ich kann nicht daran denken, nach Hause nach Nigeria zu gehen", sagte das 21-jährige Opfer nach der Urteilsverkündung. "Diese Leute sind extrem mächtig und ich mache mir Sorgen um meine Familie." Der junge Mann wolle in Großbritannien bleiben, den Fall aber ruhen lassen – seine Familie habe ihn darum gebeten.
Auf der anderen Seite hatten der nigerianische Senat und die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten den Richter aufgefordert, Ekweremadu zu begnadigen. Wie das Nachrichtenportal "Africanews" berichtet, war Ekweremadu, ein Vertrauter des ehemaligen Präsidenten Goodluck Jonathan, 2014 maßgeblich an einem Gesetz beteiligt, das unter anderem den Organhandel bekämpfen sollte.
Quellen: "Guardian"; "Africanews"; AP; BBC; AFP