Prozess in Bremen Zehn Jahre Haft für Kevins Ziehvater

Der Ziehvater des zu Tode misshandelten zweijährigen Kevin aus Bremen ist zu zehn Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Das Bremer Landgericht blieb damit erheblich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 13 Jahre Gefängnis wegen Mordes gefordert hatte.

Nach dem tödlichen Martyrium des kleinen Kevin aus Bremen ist der Ziehvater des Jungen am Donnerstag zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Die Leiche des zweijährigen Kindes war im Oktober 2006 im Kühlschrank des drogensüchtigen 43-Jährigen gefunden worden. Zu diesem Zeitpunkt war Kevin, der einen staatlichen Vormund hatte, vermutlich schon Monate tot. Bei der Obduktion der Leiche wurden rund zwei Dutzend Knochenbrüche festgestellt. Das Schicksal des Jungen hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Das Landgericht sprach den Ziehvater wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig. Zusätzlich zur Haftstrafe wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Mordes und schwerer Misshandlungen auf 13 Jahre Haft plädiert. Die Verteidiger hatten keine konkreten Anträge gestellt. Beide Seiten wollen prüfen, ob sie das Urteil anfechten.

Der 43-Jährige verfolgte den Richterspruch weitgehend teilnahmslos und kämpfte nur am Schluss kurz gegen seine Tränen an. Das emotionale Schlusswort des Angeklagten vor wenigen Tagen mit der Aussage, er wisse nicht mehr, was damals passiert sei, stellte der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann in Frage. "Ich bin ganz ehrlich. Das glaube ich Ihnen nicht."

Katastrophe hätte verhindert werden können

Der Richter sprach von "roher Misshandlung des Kindes". Diese reichte bereits bis ins Jahr 2004 zurück. "Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass andere Personen hierfür verantwortlich sein können", sagte der Richter über die Rolle des Angeklagten und der ebenfalls drogensüchtigen Mutter. Diese war im November 2005 gestorben. Danach sei es mit dem Mann "bergab" gegangen.

In einer Stellungnahme, die der Richter wegen des großen öffentlichen Interesses an dem Prozess abgab, sagte Kellermann, der Sachverhalt lasse keine Schlussfolgerung hinsichtlich der Verantwortung anderer an dem Tod Kevins zu. Allerdings habe es sicherlich genügend Situationen gegeben, in denen diese Katastrophe hätte aufgehalten werden können. Nach dem Fund des toten Kindes waren schnell massive Fehler der Sozialbehörden in der Hansestadt bekannt geworden. Gegen den für Kevin zuständigen Sozialarbeiter und den Amtsvormund des Kindes steht noch ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen bevor.

Der Ziehvater habe Kevins Verletzungen nach außen versteckt und eine "Scheinwelt" aufgebaut, sagte der Richter. Der 43-Jährige habe immer wieder Ausreden benutzt. "Sie hatten Angst vor Entdeckung." Seine Persönlichkeit sei gestört und sein Leben von Alkohol und Drogen gezeichnet. Er habe jedoch nicht sadistisch gehandelt. Insgesamt sei eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen.

Kaum ein anderer Fall wurde so sehr Symbol für staatliches Versagen, wie das Martyrium von Kevin. Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen sagte am Donnerstag in NDR-info, Kevin habe unter Amtsvormundschaft gestanden. Der Staat sei zur Fürsorge verpflichtet gewesen "und er hat versagt mit seinen Behörden und Ämtern, im Schutz Kevins vor den Gewalttätigkeiten des Vaters".

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS