Prozess um Folterdrohung Daschner nennt Ex-LKA-Chef als einzigen Mitwisser

Die Frankfurter Polizei hat den Mörder Gäfgen illegal mit Folter bedroht. Der frühere Polizei-Vize Daschner nannte nach achteinhalb Jahren den bereits gefeuerten damaligen LKA-Chef Nedela als Mitverantwortlichen.

Der Mörder Magnus Gäfgen hat die direkte Konfrontation mit dem damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner gemieden und ist lieber zum Abendessen in sein Gefängnis nach Schwalmstadt zurückgefahren. Doch auch ohne den Kläger ließ Daschner am Donnerstagabend vor dem Frankfurter Landgericht die Katze schnell aus dem Sack: Seine Folterdrohungen vom 1. Oktober 2002 im Entführungsfall Jakob von Metzler will er allein mit dem damaligen LKA-Chef Norbert Nedela abgesprochen haben. Der Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sei im Urlaub gewesen und Staatssekretär Udo Corts (CDU) nur im Nachhinein von Nedela informiert worden.

Die zustimmende Bemerkung "Instrumente zeigen" sei von Nedela gekommen, berichtete der 67 Jahre alte Pensionär der 4. Zivilkammer und verteidigte noch einmal sein umstrittenes Vorgehen, um den entführten Jungen damals vielleicht doch noch zu retten. Er sei sich sicher gewesen, dass sein Vorgehen mit der politischen Spitze des Ministeriums abgestimmt worden war. Es trifft sich für Bouffier, dass der erneut belastete Landespolizeipräsident Nedela bereits seit dem vergangenen Herbst in den vorläufigen Ruhestand versetzt worden ist - wegen seiner rüden Art der Personalführung.

Zuvor hatte der Zivilprozess leicht groteske Züge angenommen. Wie in seinem Mordprozess saß Gäfgen ohne äußere Bewegung in der Bank, antwortet ruhig, emotionslos auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Christoph Hefter. An die Details seiner Bluttat - die Entführung und Ermordung des elf Jahre alten Jakob von Metzler im September 2002 - hat er gelegentliche Erinnerungslücken. Er wird aber genau, wenn es darum geht, was ihm angeblich alles bei dem Verhör im Frankfurter Polizeipräsidium widerfahren sein soll, schließlich verlangt er 10 000 Euro Schmerzensgeld plus Schadensersatz vom Land Hessen.

Die Stimmung im voll besetzten Saal ist eindeutig gegen den schmalen, hochgewachsenen Kläger im gepflegten dunklen Anzug. Mit Hohngelächter reagieren die meist älteren Besucher, als der Vorsitzende Richter dem Kläger Gäfgen mit seiner Sitzungsplanung zu einem warmen Mittagessen verhelfen will. Die von Rachegedanken geprägte Vorstellung, "so einer" könnte ja wohl auch mal mit Wasser und Brot auskommen, schwirrt durch den Zuschauerraum. "Der braucht kein Schmerzensgeld, dem müssen Schmerzen zugefügt werden", sagt ein älterer Mann in der Verhandlungspause. Die Leute teilen sich selbst ein in Gegner oder Befürworter Daschners.

Dass "so einer" wie Gäfgen überhaupt einen Schmerzensgeld-Prozess gegen das Land Hessen anstrengt, schon beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg versucht hat, seine Verurteilung aufzuheben, ist für viele Menschen schwer erträglich. Doch der Rechtsstaat hat nach den unbestrittenen Folterdrohungen der Frankfurter Polizei, die Gäfgen fast die Straflosigkeit beschert hätten, funktioniert: Das Landgericht Frankfurt kassierte die unter den Drohungen und auch später abgelegten Geständnisse, Gäfgen wiederholte im Prozess sein Bekenntnis zur Täterschaft. Hätte er damals von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, wäre eine Verurteilung des Mörders weit schwerer, wenn nicht sogar unmöglich geworden.

In späteren Prozessen bestätigten alle Instanzen bis zum EGMR die Rechtmäßigkeit des Gerichtsverfahrens. Die an den Folterdrohungen beteiligten Polizisten wurden wegen Nötigung verurteilt, wenn auch Strafen nur auf Bewährung angedroht wurden. Zuletzt wurde dem mittellosen Häftling Gäfgen sogar Prozesskostenhilfe für seine Schmerzensgeldklage zugestanden. Das Land muss also die Klage gegen sich selbst bezahlen.

Der Vernehmungsbeamte Ortwin E. widersprach vor Gericht den Anschuldigungen Gäfgens im Detail, bestätigte aber die von Gäfgen genannten Fakten Wahrheitsserum und einen angeblich einfliegenden Schmerzspezialisten in einem Hubschrauber. Er habe Gäfgen diese Pläne Daschners angekündigt, ihn aber nicht damit bedroht. Der Vorsitzende Richter Hefter mag darin vorläufig keinen Unterschied erkennen.

Der 57 Jahre alte Polizist streitet aber ab, den Jura-Studenten beim Verhör angefasst oder aus der Nähe bedroht zu haben. "Um Gottes Willen. Der strahlte so eine Kälte aus. Ich habe den in meinem Leben noch nicht berührt." Er habe Gäfgen auch nicht gedroht, dass er aus dem Hubschrauber gestoßen oder im Gefängnis von "zwei großen Negern" vergewaltigt werden könnte. Diese Drohungen wie auch Schläge mit dem Handballen hatte Gäfgen geschildert. Die Drohungen könnten den ohnehin schon traumatisierten Gäfgen graduell noch stärker traumatisiert haben, meinte der psychologische Gutachter Norbert Nedopil.

In dem Prozess ist eine Entscheidung für den 1. Juni angekündigt. Dies muss aber nicht zwingend bereits das Urteil sein.

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Christian Ebner, DPA

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