Schweden Deutsche bestreitet Mord aus Eifersucht

Von André Anwar, Stockholm
Die Ermordung zweier Kleinkinder mit einem Hammer hat in Schweden für Aufruhr gesorgt. Eine deutsche Studentin wird der Tat und des Angriffs auf die Mutter beschuldigt. Das angebliche Motiv: Eifersucht. Am ersten Prozesstag verlas die Anklage Liebesbriefe an den Freund der Mutter.

Kurz vor Ostern, am Abend des 17. März, ging in der Notrufzentrale ein Anruf aus der Kleinstadt Arboga westlich von Stockholm ein. Ein Mann berichtete völlig unzusammenhängend, seine Freundin und deren zwei kleinen Kinder im Einfamilienhaus blutüberströmt und bewusstlos aufgefunden zu haben. "Kommt sofort. Es sieht ganz schlimm aus", rief er mit brüchiger Stimme in den Hörer, während er versuchte, Freundin Emma und die Kinder wieder aufzurichten. Die 23-jährige Mutter kam ins Krankenhaus und überlebte nur knapp. Als Emma Jangestig später erfuhr, dass ihr dreijähriger Sohn Max und ihre einjährige Tochter Saga in jener Nacht gestorben sind, brach sie ein zweites Mal zusammen. Der Fall empörte ganz Schweden.

Am Mittwoch hat im Gericht der Stadt Köping unweit des Tatortes der Prozess gegen eine deutsche Studentin aus Hannover begonnen. Die 32-jährige Christiane S., von schwedischen Boulevardmedien nur abfällig als "die Deutsche" bezeichnet, soll sich laut Staatsanwaltschaft und Mordkommission Einlass in das traditionell rote schwedische Holzhäuschen von Emma und ihren Kindern verschafft haben und dort auf alle drei mit einem hammerähnlichen Werkzeug brutal eingeschlagen haben. Laut Staatsanwältin Frieda Gummesson war das Motiv Eifersucht.

Christiane S. soll einfach nicht verkraftet haben, dass ihr schwedischer Exfreund, der 28-jährige Torgny H., in der Mutter der Kinder eine neue Liebe gefunden hatte. Um dieses Motiv zu untermauern, verlas die Anklage am ersten Prozesstag Liebesbriefe, die Christiane S. an ihren Ex-Freund geschrieben hatte und versuchte zu demonstrieren, wie krankhaft besessen die Deutsche von ihm war.

Was als Urlaubsflirt auf Kreta im August 2006 begann, entwickelte sich laut Anklage zum Albtraum für den Mann. Im März 2007 habe Christiane S. ihn angerufen und gesagt, sie sei in Schweden und dass sie sich mit einem Schlafmittel umbringen werde, wenn er sie nicht in der Stadt Mariefred abholen komme, was der Mann dann notgedrungen auch tat. Noch vor dem Heimflug nach Deutschland versuchte sie auf dem Flugplatz, erneut Selbstmord zu begehen. Im Juni 2007 zog sie dann sogar ganz nach Schweden, laut Anklage um ihren Ex-Freund doch noch an sich zu binden.

Im vergangenen Sommer dann berichtete er ihr von seiner neuen schwedischen Freundin und deren Kindern und bat sie, den Kontakt nie wieder aufzunehmen. Dies soll sie nicht verkraftet haben, laut Anklage, die auch belegen konnte dass die Studentin aus diesem Grund die Überweisung für eine psychiatrische Behandlung erhielt. "Ich sehe jetzt ein, dass du nun das Leben lebst, das ich leben und mit dir teilen wollte. Nicht besonders klug von dir, mir davon zu erzählen", schrieb die 32-jährige Studentin in Aufzeichnungen, die die Anklage am Mittwoch vortrug.

Angeklagte erklärt sich unschuldig

Die Angeklagte bestreitet alle Vorwürfe. Vor Gericht saß sie nur wenige Meter von der Mutter der Kinder entfernt. Sie trat entspannt auf. Beim Vorlesen der Briefe seufzte sie ein wenig höhnisch und schüttelte den Kopf, so als ob sie die Liebesbriefe für irrelevant hielte.

Nach den Morden in Arboga war Christiane wieder zurück nach Deutschland gereist. Die deutsche Polizei lieferte sie den schwedischen Kollegen aus. Obwohl die schwedische Polizei 30 Beamte mit dem viel beachteten Fall beschäftigte, mehr als 100 Personen befragte und Staatsanwältin Gummesson Ermittlungsmaterial im Umfang von 2700 Seiten übergeben konnte, ist es nicht sicher, dass es tatsächlich zu einer Überführung der deutschen Studentin kommt.

Wichtige Tests stehen noch aus

Das wohl wichtigste Beweisstück ist die Aufnahme einer Überwachungskamera, die Christiane S. kurz vor der Tat auf dem Bahnhof von Arboga gefilmt hat. Sie behauptet, dort hingefahren zu sein, um sich eine Ausgrabungsstätte historischer Runensteine anzuschauen. Die Ermittler sind von ihrer Schuld überzeugt, konnten aber keinerlei DNA-Spuren der Deutschen am Tatort ausfindig machen. Und auch die Tatwaffe ist verschwunden. Das Ergebnis von zwei DNA-Tests sollte für mehr Klarheit sorgen: Ein blutiges Haarbündel, das kurz nach der Tat in der Hand der noch auf dem Boden liegenden Mutter entdeckt wurde, wurde überprüft. Am Mittwochnachmittag zeigten die frischen Ergebnisse aus dem Labor aber, dass es sich lediglich um das Haar der Mutter handelt. Der Test hatte nicht früher gemacht werden können, weil Emma Jangestig wegen der Hammerverletzungen am Kopf die Haare rasiert worden waren. "Wir mussten mit dem Vergleich warten, bis Emmas Haar wieder eine bestimmte Länge hatte", sagte Anders Pommer von der Mordkommission. Zudem wurde an einem der von der deutschen Studentin beschlagnahmten Pullover Katzenhaar sichergestellt. Am Mittwochnachmittag zeigte sich jedoch nach der Ankunft des DNA-Testergebnisses, dass es sich nicht um Haare der Hauskatzen der Familie in Arboga handelt. Andernfalls hätte Christiane S laut schwedischen Gerichtsreportern als so gut wie überführt gegolten.

Auch eine einwandfreie Identifizierung der Täterin war der Mutter bislang nicht möglich. Sie konnte sich im Krankenhaus lange Zeit kaum an die Mordnacht erinnern. Das sei Selbstschutz, um nicht alles auf einmal verarbeiten zu müssen, meinen schwedische Psychologen. Allerdings würden die langsam wiederkommenden Erinnerungen eindeutig zu Christiane S. passen, so die Polizei. Es sei eine ungeschminkte Frau mit langen dunklen Haaren und großer Nase gewesen, die nicht schwedisch sprechen konnte, erinnert sich die in ihrem Ort wegen ihrer Freundlichkeit beliebte Supermarktangestellte Emma. Allerdings hatte sie eine Täterin mit kleiner Statur in Erinnerung, während Christine S. mit 1,80 Metern groß ist.

Bei dem Prozess sollen 65 Zeugen gehört werden. Die Eltern der Kinder fordern Schadensersatz in Höhe von 200.000 Kronen pro Kind. Mit einem Urteil wird erst in vier Wochen gerechnet.

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