Der Kopfgeldjäger wartet auf dem Parkplatz unter einer Brücke. Der Mann ist groß, rau, sein Körper tätowiert. Clara Vannucci steigt zu ihm in den schwarzen Truck. Es ist Nacht in New York City, Dezember 2012, und Vannucci, eine italienische Fotografin, begleitet den Kopfgeldjäger namens Vinny auf seiner Mission: einen Mann finden, der vor den Behörden flieht. Und für den Vinnys Auftraggeber mit 3500 Dollar gebürgt hat. Vielleicht auch mit mehr Geld. So genau werden sich die Beteiligten später nicht mehr erinnern. Es ist ein gefährlicher Einsatz. Aber auch nur einer unter vielen.
Gemeinsam fahren sie durch die Straßen von Queens zu den Sozialbauten im Osten der Stadt, Gang-Territorium, wo Vinny den Mann vermutet und von denen Vannucci heute sagt, sie erinnerten sie an ein dunkles, futuristisches Drama. Vannucci weiß nicht, was sie erwartet. Die Hand, in der sie die Kamera hält, zittert. Vinny reicht ihr eine kugelsichere Weste. Dann betreten sie einen der grauen Häuserblöcke.
In den Monaten zuvor hat Vannucci auf der Gefängnisinsel Rikers Island fotografiert. Ihr sind die Shops gegenüber dem Knast aufgefallen, deren neonbunte Reklameschilder: „Bail Bonds“. Bürgschaften. Bail – zu Deutsch: Kaution – spielt nirgendwo anders auf der Welt so eine große Rolle wie in den USA. Dort hat sich um die Kautionen eine ganze Industrie gebildet. Vannucci will die Welt der Bail Bonds verstehen. Zufällig trifft sie in einer Bar den Mann, der sie später in diese Welt einführen wird: Bobby Zouvelos, ein knapp zwei Meter großer Hüne mit griechischen Wurzeln. Er arbeitet als Bail Bondsman, als Kautionsagent, für seinen Bruder George. Den selbst ernannten „Bail Boss“ von New York.