Noch einmal zeigte sich Uli Hoeneß so, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt. Noch einmal holte er zum Gegenschlag aus, wie er es so oft getan hatte, wenn es für ihn und/oder seine Bayern eng wurde oder er einfach nur glaubte, dass es eng werden könnte. "Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen", polterte der Steuersünder im "Münchner Merkur". Für eine Zeitung werde "das richtig teuer". Die Meldung über den Wechsel von Mario Götze von Dortmund nach München - nicht nur Jürgen Klopp vermutet darin ein Ablenkungsmanöver des gefallenen Moralapostels Uli Hoeneß. Doch die Keulen, die der Boss des FC Bayern München im Abwehrkamf schwang, erwiesen sich als Fliegenklatschen. Die Blendgranaten, die er warf, versperrten nicht die Sicht auf das andere Gesicht des Uli Hoeneß. Die Zeiten, dass seine Drohungen wie Donnerhall durch das Land dröhnen und Freund und Feind gleichermaßen ins Mark treffen, sind vorbei.
Hoeneß muss erkennen: Das System Hoeneß funktioniert im Steuerskandal Hoeneß nicht. Das Schutzschild des Mannes, der den Ehrgeiz verkörpert wie kaum ein anderer im deutschen Sport, ist zerbosten. Auf Niederlagen und Demütigungen reagierte Hoeneß stets mit Wut, Hohn und Geld. Doch er hat das Recht verwirkt, wütend zu sein. Er ist es, der Hohn und Spott ertragen muss. Und Geld? Hoeneß steht - wenn man es denn so ausdrücken will - nicht in einem sportlichen Wettbewerb, sondern trägt einen Konflikt mit der Justiz aus. Und da kann er nicht mal soeben ein paar Millionen Ablösesumme auf den Tisch legen und den Staatsanwalt, der ihn strafrechtlich verfolgt, zum Wechsel in sein Team bewegen, um den Gegner zu schwächen. Der mächtige Uli Hoeneß ist plötzlich machtlos.
Jenseits von Attacke und Scheckheft
Weil ihm nichts anderes übrig bleibt, wählt das Schlachtschiff von der Säbener Straße nun einen anderen Weg jenseits von Attacke und Scheckheft. Ziel: zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist. Er mimt den reuigen Steuersünder, den Zerknirschten, der mies schläft und sich grämt, weil ihn das schlechte Gewissen plagt, da er "Riesenmist" fabriziert hat. "Ich wälze mich und wälze mich. Und dann wälze ich mich nochmal. Und denke nach, denke nach und verzweifle. Ich bin morgens auch manchmal schon eine Stunde nach dem Aufstehen völlig fertig", gestand er der Wochenzeitung "Die Zeit". Als ein Durchsuchungstrupp der Staatsanwaltschaft vor seinem Haus am Tegernsee klingelte, "begann die Hölle für mich".
Hoeneß mimt den Getriebenen, den Zocker, den Süchtigen, der nicht anders konnte, als seine Kohle im Börsenkasino auf Aktien und Devisen zu setzen. "Richtig gezockt" hat er. "Das war der Kick, das pure Adrenalin." Er mimt den Uli Hoeneß, der nicht nur Riesenmist verbockt, sondern auch Riesenverluste erlitten hat. Und das gleich zwei Mal. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000 "fuhr ich schwere Verluste ein, ich war da richtig klamm". Armer Uli Hoeneß. "Und dann kam 2008 die Finanzkrise, und dann ging es endgültig in den Keller." Noch ärmerer Uli Hoeneß. Wenigstens ist er seine Spielsucht los: "Inzwischen halte ich mich für kuriert." Wie beruhigend.
Möge Uli der Reuige der wahre Hoeneß sein
Höhepunkt des Interviews mit der "Zeit" ist sein Satz: "Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch." Beide Aussagen stimmen. Hoeneß hat Riesenmist gebaut und er ist kein schlechter Mensch. Allerdings geht es jetzt überhaupt nicht darum. Spielsucht trägt krankhafte Züge, Steuerhinterziehung ist Betrug. Zocken an der Börse ist nicht strafbar, das Hinterziehen von Steuern ist es. Es muss für Hoeneß eine brutale Erfahrung sein, ausgeliefert zu sein. Zum ersten Mal helfen all die Mittel nicht, mit denen er den FC Bayern München zum momentan besten Fußball-Klub der Welt gemacht hat.
Wie viele andere Mächtige in Politik und Gesellschaft beging Hoeneß den Fehler, sich eine eigene Welt mit eigenen Regeln zu schaffen. Als wäre er schizophren, geißelte er öffentlich Steuerflucht und hatte zugleich selbst Millionen auf einem Schweizer Konto schwarz angelegt. Nun hat ihn das wahre Leben eingeholt und für eine Korrektur gesorgt. Hoffen und wünschen wir also, dass die Wandlung von Uli dem Polterer zu Uli dem Reuigen nicht auf Worthülsen und Taktiererei beruhen, um Volk und Richter Milde zu stimmen, sondern auf Einsicht und Bereitschaft zur Buße. Die Bereitschaft zum Verzeihen ist in der Bevölkerung groß. Aber erst einmal muss sich Uli Hoeneß selbst verzeihen.