Elf Monate nach der Entführung einer deutschen Familie im Jemen sind die beiden vier und sechs Jahre alten Töchter befreit worden - ihr kleiner Bruder Simon ist aber womöglich tot. Auch das Schicksal der Eltern war am Dienstag unklar. Die sechsjährige Lydia und die vierjährige Anna wurden von saudiarabischen Sicherheitskräften an der Grenze zum Jemen befreit und sollen am Mittwoch nach Deutschland gebracht werden.
"Was die übrigen Geiseln angeht, haben wir nach wie vor keine Gewissheit oder belastbaren Informationen", sagte Außenminister Guido Westerwelle. "Ihre Lage erfüllt uns mit großer Sorge."
Der Schwager des entführten Familienvaters Johannes Hentschel, Pfarrer Reinhard Pötschke, sprach vom Tod des zweijährigen Jungen. "Wir sind froh und erleichtert, dass die beiden Töchter frei sind", sagte der Sprecher der Familie der Nachrichtenagentur DAPD. "Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass der Sohn wahrscheinlich nicht mehr am Leben ist." Es bleibe zudem die Sorge um die Eltern. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll bereits die Leiche des kleinen Simon im Jemen gefunden worden sein.
Das Ehepaar hatte in einem jemenitischen Krankenhaus gearbeitet und war im Juni 2009 zusammen mit ihren Kindern sowie einem Briten, zwei Bibelschülerinnen aus Niedersachsen und einer Südkoreanerin nach einem Ausflug in ein Wadi in der nordjemenitischen Provinz Saada verschleppt worden. Die beiden Bibelschülerinnen und die Südkoreanerin wurden ermordet, der Brite und die Familie aus Sachsen blieben vermisst. Das Ehepaar hatte seit 2003 in einem staatlichen Krankenhaus in Saada nahe der Grenze zu Saudi-Arabien gearbeitet.
Westerwelle sagte am Dienstag, die beiden kleinen Mädchen befänden sich derzeit in sicherer Obhut der saudiarabischen Behörden. "Es geht ihnen den sehr schwierigen Umständen entsprechend gut." Sein Dank gelte nachdrücklich den Behörden vor Ort für ihr Eingreifen, erklärte der Minister.
Wie der Sprecher des saudiarabischen Innenministeriums, Mansur al Turki, mitteilte, wurden die Kinder von Geheimdienstmitarbeitern an der Grenze zum Jemen in Absprache mit der Regierung des Landes befreit. Dabei sei es nicht zu Kämpfen gekommen. Zum Schicksal der übrigen Familienmitglieder machte er keine Angaben.
Pfarrer Pötschke sagte, die beiden Mädchen würden nach ihrer Rückkehr im Kreis der Familie aufgenommen. Den genauen Aufenthalt wolle man nicht mitteilen. "Die Kinder brauchen jetzt Ruhe und nicht Blitzlichtgewitter, um das Geschehen zu verarbeiten", sagte er. "Es wird so schon schwer genug für sie." Er rief zugleich die Medien auf, in dem Fall Zurückhaltung zu üben. "Wir haben viel zu verarbeiten als Familie."
Wie er weiter sagte, wurden die Angehörigen bereits am Montagabend über die neue Entwicklung informiert. "Bei ihnen und uns allen liegen Freude und Trauer ganz dicht nebeneinander", sagte Pötschke.
Derweil wurden in Jemen zwei chinesische Geiseln freigelassen worden. Die Ingeneure seien auf dem Weg in die Provinzhauptstadt Attak, sagte der Gouverneur der Provinz Shabwa, Ali Hassan al Ahmadie. Die Chinesen arbeiten für ein Ölunternehmen und waren am Sonntag von Stammesangehörigen entführt worden.