Bei den Wanderungen der norwegischen Rentierherden in diesem Winter sind innerhalb weniger Tage mehr als hundert Tiere bei Zusammenstößen mit Zügen umgekommen. Allein am Samstag seien bei einem Unfall mit einem Güterzug auf einen Schlag 65 Rentiere getötet worden, berichtete der norwegische Rundfunksender NRK gestern Abend. Zuvor habe es schon 41 Rentiere getroffen. In dem Bericht war von einem wahrhaften "Blutbad" die Rede.
Rentier-Warnung erreichte Lokführer nicht mehr
"Ich bin so in Wut, dass ich einen Schwindelanfall bekommen habe", sagte der Besitzer der zuletzt dezimierten Rentierherde, Ole Henrik Kappfjell, dem Sender. "Das ist ein Alptraum, den wir heute erleben", erklärte er und sprach von "einer sinnlosen Tiertragödie". Der Rentier-Besitzer habe die Bahngesellschaft mehrmals kontaktiert und man habe ihm versichert, die Züge sollten langsam an seinen Tieren vorbeifahren, berichtete der Sender. Doch die Warnung habe die Zugführer nie erreicht.
Ein Sprecher der Bahngesellschaft sagte dem Sender, es werde Entschädigungen geben. Die Meldung des Rentierbesitzers sei im System gewesen, aber wegen eines technischen Fehlers nicht weitergeleitet worden. Der Versuch, Lokführer in letzter Minute anzurufen, sei zu spät gekommen.
Die Folgen dieses jüngsten Zugunfalls mit einer Rentierherde hielt der Dokumentarfilmer Jon Erling Utsi fest. Auf den Bildern sind die verrenkten Kadaver in blutgetränktem Schnee zu sehen. Einige verletzte Tiere mussten erschossen werden. Auch Erling sprach auf NRK von einem "Alptraum" und einem "Blutbad auf mehreren Kilometern".
Herden werden in Überwinterungsgebiete geführt
An der betreffenden Zugstrecke wurden zwischen 2013 und 2016 bereits mehr als 2000 Rentiere totgefahren. Die Herdenbesitzer fordern vom Streckenbetreiber, dass er einen Schutzzaun aufstellt. Wer den Bau bezahlen soll, ist aber umstritten.
In Norwegen leben rund 250.000 Rentiere halb wild, die meisten von ihnen im hohen Norden des Landes. Im Winter bringen die Besitzer ihre Tiere in Gebiete, wo sie leichter Futter finden. Da es oft schwierig ist, große Herden zusammenzuhalten, warnen sie die Bahngesellschaften, bevor sie unterwegs sind. Die Wanderungen sind gefährlich, Zusammenstöße der Tiere mit Autos oder das Ertrinken bei dem Durchqueren von Gewässern sind keine Seltenheit.
