Fünf Jahre nach Erdbeben Das Leid der Frauen in Haiti nimmt kein Ende

Nach dem Erdbeben in Haiti wurden Tausende Frauen zu Opfern sexueller Gewalt. Fünf Jahre später hat sich ihre Lage kaum verbessert. stern-Fotograf Nadev Neuhaus dokumentiert ihre Schicksale.

Als im Januar 2010 ein schweres Erdbeben Haiti erschütterte, begann für die Einwohner des verarmten Inselstaates ein harter Kampf ums Überleben. Für viele Frauen begann nach der Katastrophe ein weiterer Schrecken: Sie wurden zu Opfern sexueller Gewalt, belästigt und vergewaltigt von Verbrechern.

Die tragischen Geschichten der Frauen in Haiti hat der israelische Fotojournalist Nadav Neuhaus nun dokumentiert. Neuhaus, der für den stern über das Erdbeben von vor Ort berichtete, wurde während seiner Recherchen in der Hauptstadt Port-au-Prince schnell auf die schutzlose Lage der Frauen aufmerksam. Nachdem die Frauen durch das Erdbeben obdachlos geworden waren, wurden sie in sogenannten Übergangslagern untergebracht. Dort waren sie vor sexuellen Übergriffen kaum geschützt. Auf der Website #link;www.haitiyearzero.com;"Haitiyearzero"# porträtiert er die Opfer.

Viele Opfer schweigen aus Scham und Angst

So wie Nadine, eine der Frauen, deren Schicksal Neuhaus dokumentiert hat: Die damals 19-Jährige wurde kurz nach dem Erdbeben in der Nähe eines Lagers von mehreren Männern vergewaltigt. Weil Nadine nicht rechtzeitig eine "Pille danach" einnehmen konnte, wurde sie schwanger und brachte im Lager ein Mädchen zur Welt.

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... Haiti im Jahr fünf nach dem Beben.
Nadev Neuhaus dokumentiert zusammen mit seinem Kollegen Carlos Cazalis das Land auf seiner Instagram-Seite "Haitiyearzero" und auf Tumblr

Die lokale Polizei von Haiti machte rund 7000 verurteilte Kriminelle, die nach dem Erdbeben aus zerstörten Gefängnissen entflohen waren, für die plötzliche Zunahme der Gewalt verantwortlich. Menschenrechtsorganisationen kritisieren jedoch, dass es innerhalb der Polizei immer noch wenig Sensibilität für das Thema gebe. Wie viele Frauen seit dem Erdbeben tatsächlich vergewaltigt worden sind, ist nicht bekannt. Viele Opfer schweigen aus Scham oder Angst vor weiteren Übergriffen der Täter. Die Nonprofit-Organisation "Kofaviv" berichtet von 640 dokumentierten Fällen allein im Jahr 2010.

Verdreifachung der Geburtenrate

Viele der Frauen in Haiti wurden in Folge der Vergewaltigungen schwanger. Ihre Kinder brachten sie allein in den Obdachlosen-Camps zur Welt. Die Geburtenrate in den Lagern verdreifachte sich nach dem Erdbeben von 2010, wie eine Untersuchung des United Nations Population Fund ergab.

Besonders junge Mädchen wurden in den Lagern zu Opfern von sexuellem Missbrauch. Das hat die die Internationale Organisation für Migration (IOM) in einem Bericht über Fälle von "sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt" festgestellt.

Frauen sind heute zur Prostitution gezwungen

Vor wenigen Wochen reiste Nadav Neuhaus erneut nach Haiti. Er wollte herausfinden, was aus den Frauen geworden war, denen er 2010 in den Übergangslagern begegnet war. Doch auch fünf Jahre später hat sich die Lage vieler Frauen kaum verbessert. Eine halbe Million Menschen lebt in Haiti immer noch in Zelten - darunter auch viele Frauen, die aufgrund fehlender Einnahmequellen gezwungen sind, sich zu prostituieren.

Auch die heute 23-jährige Nadine verkauft sich auf der Straße an fremde Männer, je ein bis zwei Dollar könne sie auf diesem Weg verdienen, erzählte sie Neuhaus bei ihrem Wiedersehen im letzten Jahr. "Ich habe keine Hoffnung mehr, manchmal wäre ich lieber tot", sagte sie. Neuhaus bewegt das Schicksal der Frauen auf Haiti: "Ich hoffe, dass sie eines Tages ihre Würde und Unabhängigkeit zurückbekommen und ihre Kinder zur Schule schicken können. Das wäre fantastisch."

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