Ein Großbrand hat in Weimar die weltberühmte Anna-Amalia-Bibliothek stark beschädigt. Am späten Donnerstagabend war das Feuer in dem 1565 errichteten Grünen Schloss fast vollständig unter Kontrolle, wie ein Polizeisprecher berichtete. Doch wurden große Teile des Dachstuhls zerstört. Auch der historische Rokokosaal mit 30.000 alten Bänden stand im oberen Teil zeitweise in Flammen. Polizei und Feuerwehr befürchteten, dass tausende alte Bücher durch das Feuer oder Löschwasser beschädigt wurden.
Das Grüne Schloss, der Hauptsitz der Bibliothek, gehört zum Weltkulturerbe. Zu den Beständen gehören unter anderem umfangreiche Sammlungen von Shakespeare-Originalausgaben und eine große "Faust"-Sammlung.
Wertvolle Bücher in Sicherheit gebracht
Von dem Feuer, das gegen 20.30 Uhr im Dachgeschoss ausbrach, wurde auch die zweite Galerie des berühmten Rokokosaals erfasst, er ist das Herzstück des Schlosses. Dort standen nach Auskunft von Bibliotheksdirektor Michael Knoche allein 12.000 bis 13.000 historische Bände. Davon konnten während des Feuers mit Hilfe einer Menschenkette rund 5.000 bis 6.000 in sichere Nebenräume gebracht werden, darunter eine Luther-Bibel aus dem Jahr 1534 und Reiseberichte von Alexander von Humboldt. Über den Zustand einer wichtigen Bibelsammlung herrschte zunächst noch Unklarheit. Laut Polizei sind Schäden auch in unteren Etagen zu befürchten, weil viel Löschwasser eingesetzt wurde.
Während der Löscharbeiten waren mehr als ein Dutzend Feuerwehrfahrzeuge und 180 Feuerwehrleute im Einsatz. Zwei Feuerwehrmänner erlitten Rauchvergiftungen. Am Abend war eine große Rauchwolke über der Stadt zu sehen, in der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Dichter der Weimarer Klassik lebten und arbeiteten, darunter auch Goethe und Schiller. Viele Schaulustige fanden sich am Unglücksort ein.
Gebäude vor Einsturz bewahrt
Die Bibliothek wurde 1691 gegründet und bezog das Schloss knapp hundert Jahre später unter ihrer Namensgeberin, Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und Eisenach. Die Forschungsbibliothek für Literatur- und Kulturgeschichte gehört heute der Stiftung Weimarer Klassik. Ihr Präsident Hellmut Seemann sagte am Abend: "Der Super-Gau wurde verhindert, denn das Gebäude, das viele Lehmdecken hat, ist nicht eingestürzt." Helfer retteten nach seinen Angaben auch viele Gemälde und Plastiken aus dem brennenden Haus. Ein Großporträt des Großherzogs Carl-August musste zurückgelassen werden; ob es beschädigt wurde, war zunächst unklar.
Brandursache unklar
Über die Brandursache oder das Ausmaß der Schäden an den wertvollen Kunst- und Literaturbeständen konnte zunächst niemand Auskunft geben. Die Bibliothek nennt heute einen Bestand von nahezu einer Million Büchern ihr eigen. Sammlungsschwerpunkt ist die deutsche Literatur zwischen 1750 und 1850. Zahlreiche Sondersammlungen ergänzen den Bestand.
Erst Anfang August hatte der Umzug von rund einer Million Bücher in das neu errichtete Tiefenmagazin der Anna-Amalia-Bibliothek begonnen. Bis Mitte November sollen laut dem Plan die kostbaren Bestände der 300 Jahre alten Bibliothek an einer Stelle konzentriert sein, wie der Betreiber, die Stiftung Weimarer Klassik, mitteilte. Rund 80 Prozent des heutigen Gesamtbestandes aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart sind bislang über ganz Weimar verteilt in Außenmagazinen unter ungünstigen Bedingungen untergebracht. Die Eröffnung der rund 24 Millionen Euro teuren Bibliothek mit dem Magazin unter dem Platz der Demokratie ist für Februar 2005 geplant.