Im brutalen Machtkampf zwischen Drogenkartellen und der Regierung in Ecuador ist der Staatsanwalt ermordet worden, der die Ermittlungen zu einer aufsehenerregenden Geiselnahme in einem Fernsehstudio leitete. César Suárez wurde nach Behördenangaben am Mittwoch in der Hafenstadt Guayaquil in seinem Auto erschossen. Fotos zeigten das von zahlreichen Kugeln durchschlagene Seitenfenster des weißen SUV. Am Donnerstag gab die Polizei die Festnahme von zwei Verdächtigen bekannt. "Wir haben zwei Verdächtige festgenommen", erklärte Polizeichef César Zapata im Onlinedienst X, dem ehemaligen Twitter. Bei den Ermittlungen zur Ermordung Suárez' seien Hinweise auf ihre "mutmaßliche Beteiligung" an der Straftat gefunden worden.
Generalstaatsanwältin Diana Salazar sagte nach der Ermordung ihres Kollegen in einem auf X veröffentlichten Video, "die Banden der organisierten Kriminalität, die Verbrecher, die Terroristen" würden die Justizbehörden nicht von ihrer Arbeit abhalten. Verteidigungsminister Gian Carlo Loffredo ergänzte, die Regierung lehne "jede Form von Gewalt" ab und werde die Justizbehörden weiter unterstützen. Schwerbewaffnete maskierte Männer hatten am 9. Januar während einer Live-Sendung ein Studio des staatlichen Fernsehsenders TC in Guayaquil gestürmt. Sie nahmen dabei kurzzeitig mehrere Journalisten und andere Mitarbeiter als Geiseln. Polizisten beendeten die Geiselnahme nach einer halben Stunde. Staatsanwalt Suárez sollte herausfinden, welche Bande hinter dem Angriff stand. In den vergangenen Tagen wurden mindestens 1975 Menschen bei über 20.800 Einsätzen festgenommen, wie die Polizei am mitteilte. Präsident Daniel Noboa hat inzwischen im Kampf gegen die zunehmende Gewalt auch Unterstützung von den USA und anderen Ländern gefordert.
Welle der Gewalt erschüttert Ecuador
Das südamerikanische Land wird von einer beispiellosen Welle der Gewalt durch verschiedene Drogenkartelle erschüttert. Auslöser war der Ausbruch von José Adolfo Macías alias "Fito", einer der mächtigsten Drogenbosse des Landes, aus dem Hochsicherheitsgefängnis von Guayaquil vor rund zehn Tagen. Präsident Noboa erklärte daraufhin den Ausnahmezustand, setzte die Armee gegen das organisierte Verbrechen ein und verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. Die Banden schlugen zurück und erklärten der Staatsgewalt den "Krieg". Mit Gefängnisaufständen, Geiselnahmen und Anschlägen terrorisieren sie seitdem das ganze Land, rund 20 Menschen wurden bereits getötet.

Sehen Sie im Video: Bewaffnete stürmen Live-Sendung in Ecuador und bedrohen Mitarbeiter.
Die Sicherheitslage hatte sich zuletzt dramatisch verschlechtert. Die Mordrate von 46,5 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner im vergangenen Jahr war die bislang höchste in der Geschichte des einst friedlichen Andenstaates und eine der höchsten Lateinamerikas. Ecuador liegt zwischen Kolumbien und Peru, den beiden größten Kokainproduzenten der Welt, galt aber lange als vergleichsweise friedlich und stabil. In den vergangenen Jahren wurde das Land dann selbst zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel. Seitdem hat auch die Gewaltkriminalität massiv zugenommen. Die Ermordung von Suárez war nicht der erste Anschlag auf einen Staatsanwalt in Ecuador: Im Juni 2003 wurde der Staatsanwalt Leonardo Palacios in der Stadt Duran in der Nähe von Guayaquil erschossen. 2022 wurden in anderen Teilen des Landes zwei Staatsanwälte und ein Richter erschossen. Auch Generalstaatsanwältin Salazar hat schon Morddrohungen erhalten.
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Korruption und überfüllte Gefängnisse
Für Entsetzen sorgte auch die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio vor der Wahl im vergangenen Jahr. Villavicencio hatte vor seiner Kandidatur als Journalist gegen Korruption gekämpft. Sieben Verdächtige in dem Fall wurden später in der Haft ermordet. In Ecuadors Gefängnissen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Banden. Der im Herbst gewählte Präsident Noboa hat versprochen, die Gewalt einzudämmen und die Kontrolle über die Gefängnisse zurückzugewinnen. Am Sonntag hatten die Behörden dabei zumindest einen Etappensieg verkündet: Alle Gefängnismitarbeiter, die von meuternden Insassen als Geiseln genommen worden waren, seien wieder frei.