Schon im vergangenen Jahr kam es zu heftigen Ausschreitungen beim Eritrea-Festival in Gießen. Damals wurden 26 Menschen verletzt, darunter auch Polizisten. In diesem Jahr hat die Polizei deshalb vorgesorgt. Mehr als 1000 Beamten sowie ein Wasserwerfer und ein Hubschrauber seien im Einsatz, erklärte Polizeisprecher Christopher Pfaff am Samstagvormittag in einem Videobeitrag auf Twitter. Eine "Vielzahl von Einsatzkräften" habe das Vordringen einiger Personengruppen zum Festivalgelände an den Hessenhallen verhindern können.
Seit 5.30 Uhr war es demnach an verschiedenen Orten in der Stadt zu Ausschreitungen und Angriffen auf Polizeibeamte gekommen. So hätten Personengruppen mit Steinen und Flaschen auf die Beamten geworfen, Rauchbomben entzündet, Absperrzäune eingerissen und versucht, polizeiliche Absperrungen zu durchbrechen. Einige lieferten sich Schlägereien mit den Einsatzkräften, die daraufhin Schlagstöcke und Pfefferspray einsetzen. Von einer Brücke sollen zudem Gegenstände auf die Straße geworfen worden sein. Auch Autofahrer sollen bedroht und Autos beschädigt worden sein. Bis zum Nachmittag wurden nach Polizeiangaben 22 Einsatzkräfte unter anderem durch Steinwürfe verletzt.
Großes Polizeiaufgebot bei Eritrea-Festival in Gießen
"Aufgrund der dynamischen Lage im Moment empfehlen wir der Bevölkerung, das Stadtgebiet zu meiden, da sehr viele Polizeikräfte im Einsatz sind (…). Wer keine dringenden Besorgungen im Innenstadtbereich Gießen heute machen muss, sollte diesen Bereich weiträumig umfahren", so der Sprecher weiter.
Auf einem Video, das auf Twitter kursierte, war zu sehen, wie ein Polizist über einem am Boden liegenden Mann kniet und ihm mehrfach gegen die Wange schlägt, da dieser offenbar nicht mehr ansprechbar war. Gerüchte, der Mann wurde durch Polizeigewalt getötet, dementierte die Polizei in einem Tweet: "Derzeit kursieren Meldungen, dass ein Teilnehmender der Störaktionen getötet wurde. Uns liegen aktuell keine Hinweise darauf vor. Unser Appell an Euch, solche Falschmeldungen nicht zu verbreiten."
Später hieß es dazu: "Einzelnen Personen hatten während der Kontrollmaßnahmen – mutmaßlich aufgrund der Witterung – gesundheitliche Probleme. Diese wurde medizinisch erstversorgt. Bitte verbreitet keine ungesicherten Informationen, vor allem keine Falschmeldungen."
Erst am Nachmittag entspannte sich die Lage etwas. Eine ab 14 Uhr abgehaltene Kundgebung verlief ohne weitere Zwischenfälle. Insgesamt seien im Tagesverlauf mehrere hundert Personen kontrolliert worden, teilte die Polizei mit. Rund 200 Personen wurden kurzzeitig festgesetzt, Dutzende erhielten einen Platzverweis.
Eritrea-Festival sollte ursprünglich untersagt werden
Das Festival, das an diesem Samstag beginnen und bis Sonntag dauern sollte, war auch mit Blick auf gewaltsame Proteste bei der Vorgänger-Veranstaltung im vorigen Sommer vom Gießener Ordnungsamt untersagt worden. Doch das Gießener Verwaltungsgerichts kippte das Verbot. Beschwerden dagegen waren am Freitag vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden. Das Sicherheitskonzept des Veranstalters sei ausreichend, um den drohenden Gefahren für Veranstalter und Besucher zu begegnen, erklärte der VGH zur Begründung. Eine Stadtsprecherin sagte, man bedauere die Entscheidung, setze aber nun gemeinsam mit der Polizei alles daran, die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten.
Das Eritrea-Festival ist innerhalb der eritreischen Community umstritten. Gegner werfen der Veranstaltung vor, der autoritären Führung des ostafrikanischen Landes nahe zu stehen. Seit der Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien vor rund 30 Jahren regiert Präsident Isayas Afewerki das Land mit einer Übergangsregierung. International geriet Afewerki zuletzt in die Kritik, da die eritreische Armee mehreren UN-Berichten zufolge im äthiopischen Bürgerkrieg bis November 2022 an der Seite der äthiopischen Zentralregierung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Zudem sind in dem Land viele Freiheitsrechte weitgehend eingeschränkt.
Quellen: Twitter, DPA