Während im fernen Washington weiter die Mauer zwischen den USA und Mexiko geplant wird, zeigen die Columbus-Schule im Süden des US-Bundesstaats New Mexico und das Städtchen Puerto Palomas in Mexiko, wie Nachbarschaft auch funktionieren kann.
Hunderte Kinder passieren dort jeden Tag die Grenze zwischen den beiden Staaten, um im Nachbarland lesen, schreiben und rechnen zu lernen – ein Kuriosum mit ernstem Hintergrund.
Eine der mehr als 400 kleinen Grenzgänger ist ist die Grundschülerin Melanie Figueroa. Sie und ihre Eltern ließen sich von der britischen BBC bei ihrer ungewöhnlichen Morgenroutine begleiten.
Um 7 Uhr beginnt für die Familie der Tag, zunächst noch ganz gewöhnlich. Aufstehen, duschen, anziehen, Abschiedskuss für die Mutter, den rosa Schulrucksack mit den aufgedruckten Einhörnen schnappen und los. Bei Melanie gehören aber nicht nur die Federtasche und Papier zur Grundausstattung, am wichtigsten ist der Pass. Denn ohne den kommt sie nicht zur Schule.
Von Mexiko in die USA – jeden Tag
Noch fährt ihr Vater Brayan sie morgens an die Staatsgrenze. Dort stellt er seinen Wagen ab, nimmt seine Tochter an die Hand und geht mit ihr zur Grenzkontrollstelle für Fußgänger. In dem schmalen Gang stehen schon unzählige weitere Kinder in der Schlange, um für ein paar Stunden ins nördliche Nachbarland einzureisen. Routiniert reicht das dunkelhaarige Mädchen den Grenzbeamten ihren Pass, kurze Kontrolle und schon ist Melanie mit ihrem Vater in den USA. Manchmal schauen die Beamten auch in die Rucksäcke der Kinder.
Auf der anderen Seite der Grenze wartet schon einer der typischen gelben US-amerikanischen Schulbusse auf die Kinderschar, und nun sagt Melanie auch ihrem Vater Tschüs. Den Pass gibt sie ihm zur Sicherheit wieder zurück, damit sie ihn in der Schule nicht verliert. Andere Kinder können das nicht tun, sie müssen ihre Eltern auf mexikanischer Seite verabschieden, weil die zum Beispiel aus den Vereinigten Staaten abgeschoben wurden oder nicht mehr einreisen dürfen.
"Diese Schule ist ein Silberstreif"
Rund eine Viertelstunde dauert die Fahrt zur Columbus-Schule am Ortsrand. "Welcome", steht auf einem Schild vor dem cremeweiß getünchten Bau, aber auch "Bienvenidos", schließlich kommen zwei Drittel der Schüler wie Melanie jeden Tag aus Mexiko angereist.
Brayan Figueroa wird seine Tochter am Nachmittag wieder in den USA am Schulbus in Empfang nehmen und den kurzen Weg zurück nach Mexiko antreten, Grenzkontrolle inklusive.
Und warum das Ganze? In Mexiko gibt es natürlich auch Schulen. "Wir machen das", sagt Brayan Figueroa der BBC, "damit Melanie früh Englisch lernt. Wir lieben Mexiko zwar, aber Chancen sind hier Mangelware." Möglich ist der Schulbesuch seiner Tochter und all der anderen Kinder in den USA, weil sie in den Vereinigten Staaten geboren sind. "So hat sie das Recht, dort die kostenlose Bildung zu genießen. Das gibt ihr die Möglichkeit, ein würdevolles Leben zu führen", ist sich Melanies Vater sicher.
Wie gefällt die Pendelei eigentlich seiner Tochter? Die Antwort gibt Melanie selbst. Der Schulweg sei zwar etwas anstrengend, aber: "Ich mag es, in den USA zur Schule zu gehen."
Seit vier Jahrzehnten gewährt der Staat New Mexico amerikanischen Bürgern kostenlose Bildung, egal wo sie leben, berichtet CNN. Auch an anderen Grenzübergängen spielen sich demnach täglich ähnliche Szenen ab.
Für die Schule selbst könnten die steigenden Anmeldezahlen aus Mexiko irgendwann zum Problem werden, befürchtet Schulleiter Armando Chavez, vor allem weil auch viele Schüler aus schwierigen Verhältnissen kämen. "Ich mache mir Sorgen um die Zukunfstfähigkeit."
Längst fordern laut CNN republikanische Politiker, den kostenlosen Schulbesuch wieder abzuschaffen. In Zeiten von Mauerbau- und Abschottungsplänen sagt Schulleiter Chavez trotz der Herausforderungen: "Es gibt immer einen Silberstreif am Horizont. Diese Schule ist ein Silberstreif."
