Moskau "Elektroschock" für 800 Millionen Euro

Die russische Hauptstadt Moskau muss noch lange an den Schäden durch den schwersten Stromausfall in ihrer Geschichte tragen. Allein der wirtschaftliche Verlust betrug nach ersten Schätzungen über 800 Millionen Euro.

Die russische Hauptstadt Moskau muss noch lange an den Schäden durch den schwersten Stromausfall in ihrer Geschichte tragen. Allein der wirtschaftliche Verlust betrug nach ersten Schätzungen über 800 Millionen Euro. Am Donnerstag normalisierte sich die Lage in der russischen Hauptstadt wieder, während Techniker das am Vortag zusammengebrochene Elektrizitätsnetz flickten. Nach Angaben der Stadtverwaltung waren fünf Millionen Menschen betroffen.

"Folgen weitgehend beseitigt"

Gegen Mittag gab Vizebürgermeister Waleri Schanzew Entwarnung. "Die Folgen des Notfalls sind weitgehend beseitigt", sagte er. Nur 17 von zeitweise 11.000 betroffenen Wohnhäusern seien noch ohne Strom. Bis zum Abend sollten auch Industrie- und Gewerbebetriebe wieder ans Netz angeschlossen werden. Schuld an dem Zusammenbruch war ein Kurzschluss in einem veralterten Umspannwerk. Ein Terroranschlag wurde ausgeschlossen, doch Experten wiesen daraufhin, dass auch ein Anschlag ähnliches Chaos in Moskau anrichten könne.

Am Mittwoch hatten sich in der russischen Hauptstadt Szenen wie aus einem Katastrophenfilm mit hunderttausenden Statisten abgespielt. Jedes einzelne Problem sind die elf Millionen Einwohner gewöhnt - Staus, Ausfall der U-Bahn, Stromsperren oder feststeckende Lifte. Der Stromausfall vereinte all diese Übel: "Apokalypse" titelte die Zeitung "Gaseta". "Russland erhielt einen Elektroschock", schrieb das Blatt "Moskowski Komsomolez".

Keine Panik, keine Verletzten

"Mein erster Gedanke war: Wieder ein Terroranschlag", berichtete Anatoli Sedin über den Moment, als seine U-Bahn ohne Strom stehen blieb. Trotzdem gab es keine Panik und keine Verletzen, als Zehntausende bei Notbeleuchtung aus den Tunneln und Bahnhöfen geführt wurden. Der Börsenmakler Wladimir Djadin steckte mit seinem neuen Sofa und zwei Möbelträgern stundenlang im Fahrstuhl fest. "Wir haben 20 Runden Karten gespielt und dazu mit Feuerzeugen geleuchtet", berichtete er der Zeitung "Komsomolskaja Prawda".

In den Moskauer Lebensmittelgeschäften räumten die Verkäufer am Donnerstag tonnenweise verdorbene Lebensmittel aus den aufgetauten Kühlregalen. Große Fleischfabriken und Molkereien blieben zunächst geschlossen. In einer Hühnerfabrik verendeten 600 000 Hennen. Weil Pumpstationen und Klärwerke ausfielen, gelangten Abwässer ungeklärt in den Fluss Moskwa. Ökologen warnten, dass die Luftbelastung über der Norm liege, vor allem durch den Brand in einer Ölraffinerie.

Gute Geschäfte für Getränkeverkäufer und Taxifahrer

Der Notfall habe Moskau und die südlich angrenzenden Regionen umgerechnet mehr als 800 Millionen Euro gekostet, rechnete die Wirtschaftszeitung "Wedomosti" vor. Die Verkäufer von Getränken oder Taxifahrer machten indes das Geschäft ihres Lebens. "Ich habe in vier Stunden 18.000 Rubel (510 Euro) verdient, zehn Mal mehr als sonst ", sagte der Fahrer Alexander Frolow.

Der Volkszorn über den Notfall richtete sich einhellig gegen Anatoli Tschubais, den Leiter des staatlichen Stromversorgers RAO EES. Der frühere Vize-Regierungschef ist seit der umstrittenen Privatisierung in den 1990er Jahren unbeliebt. Präsident Wladimir Putin warf Tschubais vor, RAO EES kümmere sich zu wenig um die Modernisierung des Stromnetzes. Der Staatsanwalt lud Tschubais zur Vernehmung vor. Im Parlament wurde sein Rücktritt gefordert.

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Friedemann Kohler/DPA

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