Die Zerstörungen durch den Tsunami waren in Indonesien sehr viel größer als in Sri Lanka. Noch immer stehen ganze Landstriche unter Wasser, weil sich die gesamte Nordinsel abgesenkt hat. Immer wieder erschüttern neue Erdbeben die bereits reparierten Brücken und Häuser. So wurde im Oktober die Küstenstraße von Banda Aceh in den Süden zur Provinzhauptstadt Calang erneut unpassierbar, die einzige Route führt in einer Tagesreise über das Hinterland und wird durch viele Checkpoints erschwert. Die Vereinten Nationen fliegen zweimal täglich mit einem Helikopter die Küste hinab.
Calang selber sieht aus wie eine Goldgräberstadt; alle Hütten sind aus Holz gezimmert, die Straßen bestehen aus festgestampftem Schlamm, der sich im Regen in Dreckpisten verwandelt. Auf den Straßen staut sich immer wieder der Verkehr, wenn sich vor den provisorischen Brücken aus Baumstämmen mal wieder ein Lastwagen verkeilt hat.
Alle diese Umstände lassen den Aufbau beschwerlich vorangehen. Der Nachschub von Baumaterialien stockt ständig. Aber die Menschen, die Calang wieder aufbauen, sind zuversichtlich. Viele Familien haben Kinder und Alte zu Verwandten geschickt, bis die Lebensverhältnisse in Calang besser geworden sind. Wer hier noch lebt, packt mit an. So geht zwar vieles langsam, aber dennoch stetig voran. Nach den Übergangshäusern sollen jetzt die Schulen, Verwaltungsgebäude, die Straßen, Brücken und die Kanalisation aufgebaut werden. Der Zeitrahmen dafür: Bis in die zweite Hälfte 2006.
Für alle Schulen, die neu aufgebaut werden, gibt es Standardvorgaben der Regierung. In Calang bekommen sie sechs Klassenzimmer, ein Lehrerzimmer, einen Sportplatz, einen Erste-Hilfe-Raum, ein Zimmer für die Schülervertretung oder den Hausmeister, eine Bücherei und eine Moschee, die auch als Aula benutzt werden kann.
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Inpres Calang staatliche Grundschule, Calang
Roslaini Usman arbeitet seit 22 Jahren an der Grundschule in Calang, davon 15 Jahre als Direktorin. Es war für sie nie eine Frage, ihre Schule zu verlassen. Auch wenn die Situation weiter sehr schwierig ist. Zwölf von sechzehn Kolleginnen sind in den Fluten ertrunken, die Hälfte der Kinder werden nach dem Wiederaufbau nicht wieder in die Schule zurückkommen. Einige wohnen jetzt bei Verwandten im Hinterland und sollen dort bleiben. Die meisten sind jedoch gestorben.
Als der Tsunami kam, war sie in Banda Aceh. Erst nach einem Monat gelang es ihr, sich wieder nach Hause durchzuschlagen. Tagelang war sie mit Booten und zu Fuß über Hügel unterwegs. Fischerboote hatten nach einer Woche die Nachricht überbracht, dass ihre Familie die Katastrophe überlebt hatte. Sie kann immer noch nicht darüber sprechen, was sie vorfand, als sie endlich in Calang ankam: "Alles war voller Erde. Nichts war mehr da." Anfangs wusste sie nicht, ob ein Wiederaufbau überhaupt möglich sein würde. "Aber für die Kinder ist es wichtig, dass wir für sie da sind. Dass wieder Alltag einkehrt."
Sie begann mit dem Unterricht, sobald provisorische Schulhütten aufgestellt worden waren. "Wir haben gesungen, Ball gespielt - und langsam sind die Kinder aus ihrer Erstarrung erwacht." Das war ihr größter Erfolg: Als sie merkte, dass ihre Schüler wieder gerne in die Schule kommen, dass sie wieder kreischend hinter dem Fußball herlaufen. "Ich kann es kaum abwarten, wenn die neue Schule wieder steht. Dann wird meine Familie, meine Schule wieder zusammen sein."
Schülerzahl vor dem Tsunami
: 160 im Alter von sechs bis zehn Jahren
Schülerzahl zur Zeit
: 50
Wiederaufbau
: Die Pläne für den Wiederaufbau der Schule sind genehmigt, das Bauland ist gefunden. Jetzt warten alle auf die Baumaterialien und das Baugerät. 50 Kinder besuchen das Übergangs-Schulzentrum in der Ortsmitte. Die Direktorin rechnet damit, dass in der Schule nach Fertigstellung 80 Kinder unterrichten werden, halb so viele wie vor der Flutwelle. In Calang haben von 11500 Menschen nur ein Drittel überlebt. Von 16 Lehrern der Grundschule leben nur noch vier.
Kosten (geschätzt)
: 220.000 Euro
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Islamische Mittelschule, Panga
Der Direktor Alwi Razali, 32, lebt mit seiner Frau immer noch in einem Zelt. Der Neubau seines Hauses stockt, weil es kein neues Holz gibt. Unter einer Plastikplane im Zelt stapelt er die neuen Bücher für die Schüler. Noch sind die meisten nicht von Verwandten aus dem Hinterland nach Panga zurückgekehrt. Die Eltern warten, bis sich die Situation verbessert hat.
Razali war am 26. Dezember nicht im Dorf; er kam erst nach zehn Tagen aus Banda Aceh zurück, wo er die Flutwelle von einem Hochhaus aus beobachten konnte. Nur er und ein weiterer Lehrer haben den Tsunami überlebt. Die Religionsbehörde, zuständig für die Mittelschule, bestimmte ihn zum neuen Direktor. "Ich wollte anfangs gar nicht, aber sie haben es mir befohlen. Jetzt bin ich stolz darauf, am Wiederaufbau mitzuwirken."
Seine Arbeit ist nicht einfach. Manchmal betreut er zwei Klassen gleichzeitig und muss viel Zeit mit Behörden und Bauleitern verbringen, um den Wiederaufbau zu planen. "Das Verhältnis zu meinen Schülern ist viel enger geworden", sagt er. Sie sprechen jetzt in der Schule über ihre Ängste, ihre Probleme. "Wir müssen den Kindern wieder Lebenslust beibringen. Und ihnen sagen, dass Lernen das Wichtigste ist." Auf die Frage, warum es gerade das Dorf Panga so schwer getroffen hat, wusste er lange keine Antwort. "Aber dann habe ich an den Bruderkrieg gedacht, den wir geführt haben. Bis ins Dorf sind die Schießereien gekommen. Allah ist gerecht. Krieg ist falsch. Vielleicht sollten wir das hier lernen."
Asahari, 17, kann dies schwer akzeptieren. Er hat 30 seiner 40 Schulkameraden durch die Welle verloren. "Unterricht ist auf jeden Fall besser, als zu Hause zu sitzen." Seine Schwester Yulijani, 19, studiert in Banda Aceh, sie wird bald Grundschullehrerin sein und nach Panga zurückkehren. Asahari und sie haben nie daran gedacht, Aceh zu verlassen: "Unser Leben ist hier und unsere Erinnerungen. Es ist das einzige, was wir noch haben. Warum sollten wir dies verlassen?"
Schülerzahl vor dem Tsunami
: 108 im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren
Schülerzahl zur Zeit
: 60. Im Dorf Panga haben von 1300 Einwohnern 555 überlebt. Die drei Flutwellen spülten sieben Kilometer landeinwärts.
Wiederaufbau
: Noch verläuft der Unterricht hier provisorisch in einer Zeltschule, die von Unicef aufgestellt wurde. Direkt daneben sieht man noch die Fundamente, die der Tsunami von der alten Schule übrig gelassen hat. Hier soll die neue sechs-zügige Schule wiederaufgebaut werden. Die Pläne zeigen das Volleyballfeld und die Bücherei, die ebenfalls neu gebaut werden.
Kosten (geschätzt)
: 220.000 Euro