Die Schweiz ist – neben Käse, Uhren und Schokolade – auch für ihre Bahnen berühmt, die durch die malerischen Alpen auf uralten Strecken und Viadukten kurven. 175 Jahre alt werden die Schweizer Bahnen in diesem Jahr.
Ein Grund zum Feiern – und Anlass für die Rhätische Bahn einen Weltrekord aufzustellen: Am 29. Oktober wollen die Eidgenossen den längsten Reisezug der Welt rollen lassen. 1910 Meter lang soll er werden und 100 Wagen umfassen. Die Strecke: die Unesco Welterbestrecke Albula/Bernina von Preda bis Bergün und weiter über den Landwasserviadukt. So wolle man das "bahntechnische Meisterwerk der Bahnpioniere" sichtbar machen, teilte die Rhätische Bahn mit.
25 Züge, sieben Lokführer, 21 Techniker
Renato Fasciati, Direktor der Bahngesellschaft, sagte dazu: "Die Schweiz ist ein Eisenbahnland wie kaum ein anderes. Dieses Jahr feiern wir 175 Jahre Schweizer Bahnen. Mit diesem Weltrekordversuch will die RhB mit ihren Partnern ihren Beitrag leisten und eine Pioniertat realisieren, die es so noch nie zu sehen gab." Sollte der Rekordversuch erfolgreich sein, soll er selbstverständlich ins Guinnessbuch der Rekorde Einzug erhalten.
Das ganze Unterfangen ist aber keineswegs einfacher gesagt als getan. Aus 25 Flügeltriebzügen des neuesten Typs "Capricorn" soll der Rekordzug zusammengesetzt werden. Diese werden im Rahmen einer Rollmaterialbeschaffung Zwecks Modernisierung von der Bahngesellschaft bis 2024 erworben.
"Noch nie fuhr so ein langer Personenzug auf der Welt", schreibt die Rhätische Bahn. "Geschweige denn im Hochgebirge auf einer Schmalspurbahn mit engen Kurvenradien, vielen Tunnels und Viadukten."
Die 25 Züge müssen alle gleichzeitig beschleunigen oder abbremsen können. Eine elektrische Schleife soll sicherstellen, dass im Falle einer abrupten Bremsung alle Züge gleichzeitig zum Stehen kommen. Jeweils vier Züge werden dabei von nur einem Lokführer gesteuert. Insgesamt sollen im Zug sieben Lokführer und 21 Techniker eingesetzt werden. Damit diese kommunizieren können, soll ein Feldtelefon eingesetzt werden.
Wandern an der Unesco-Welterbestrecke

Aussteigen und loswandern in Graubünden: die Station Preda der Rhätischen Bahn, wo der Bahnerlebnisweg Albula entlang der Unesco-Welterbestrecke beginnt.
Viele Herausforderungen für Weltrekordversuch in der Schweiz
Eine weitere Schwierigkeit: das Gewicht. Ohne Fahrgäste wiegt der Zug rund 2850 Tonnen. Sollte sich der Zug also nicht synchron bewegen, wirken sehr große Kräfte auf die Infrastruktur und Wagenkästen, so die Bahngesellschaft.
"Eine separate Gegensprechanlage im Zug, Training der Lokführer und klare Befehle sorgen für das entsprechende Ergebnis. Zudem wird für die Fahrt des Rekordzuges eine spezielle Software geladen und die mechanische Bremsleistung reduziert." Auch die Stromspannung stellt sich als Herausforderung dar. Denn auf der Talfahrt wird der Zug durch eine sogenannte "elektrische Rekuperation" abgebremst. Auf diese Weise wird Strom produziert, der an die Fahrleitung abgegeben wird. Wenn nun aber 25 solcher Züge auf der Strecke fahren, könnte das die Spannung der Fahrleitung zu stark erhöhen. Diese Überspannung könnte dann von anderen Systemen nicht aufgenommen werden.
"Hierzu fanden diverse Tests statt und es werden Maßnahmen für die Rekordfahrt getroffen", heißt es von der Rhätischen Bahn. Dazu gehören unter anderem Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Der Weltrekordzug soll dabei nur zwischen 30 und 35 km/h fahren. Rund eine dreiviertel Stunde soll die Fahrt dauern, wobei 789.4 Höhenmeter überwunden werden. Mehr als 4500 Menschen könnten theoretisch in dem Mega-Zug Platz finden, wobei 150 Sitze schon für geladene Gäste reserviert sind.

Weltrekordversuch auch großer PR-Stunt
Der Tag des Weltrekordversuchs wird von einem großen Spektakel begleitet. In Bergün soll ein Festivalgelände mit Musik und Unterhaltung aufgebaut werden. Die Zugfahrt soll zudem live im Fernsehen übertragen werden. Schaulustige können vor Ort an verschiedenen "Viewpoints" den Zug bei seiner Fahrt verfolgen.
Den bisherigen Weltrekord für den längsten Personenzug der Welt hält Belgien. Dort fuhr 1991 ein mehr als 1700 Meter langer Zug mit 70 Waggons, wie die Schweizer "Neue Zürcher Zeitung" schreibt. Der längste Zug überhaupt fährt aber in Australien, wo der mehr als sieben Kilometer lange Güterzug Fracht quer durch das Land fährt.
Das Jubiläum und die große Beschaffungsmaßnahme sind aber nicht die beiden einzigen Gründe für den Weltrekordversuch der Eidgenossen. Es ist auch eine große PR-Aktion der Bahn, die nach Einbußen während der Corona-Pandemie auf mehr Fahrgäste hofft.
Weitere Quelle: "Blick"