Nach seinem Kurzbesuch in der vom Hurrikan "Katrina" verwüsteten Region hat US-Präsident George W. Bush Fehler bei der Einschätzung der Situation eingeräumt. Viele Bürger bekämen nicht die Unterstützung, die sie benötigten, sagte Bush in Washington. Als Konsequenz der seit Tagen anhaltenden Kritik versprach er rasche und effektive Unterstützung. Auch nach seinem Besuch im Krisengebiet reißt die Kritik an seinem Krisenmanagement nicht ab.
Dennis Hastert sorgt für Empörung
Mit Jubel und Fahnenschwenken begrüßte die von der Flut eingeschlossene Bevölkerung von New Orleans die ersten 50 Lastwagen der Nationalgarde mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten. Rund 50 000 Bewohner sind weiter in der Stadt eingeschlossen und sollen nach den Worten von Bürgermeister Ray Nagin innerhalb der kommenden fünf Tage in Sicherheit gebracht werden. Rund um den Superdome warteten fünf Tage nach den Verwüstungen durch den Hurrikan am Samstag noch 10 000 Menschen auf ihre Rettung.
Für einen Sturm der Empörung sorgte der führende Republikaner und Bush-Freund Dennis Hastert mit seinen Zweifeln am Sinn des Wiederaufbaus von New Orleans. Als Reaktion darauf stellte Bush am Samstag klar, dass die Südstaatenmetropole wieder aufgebaut werden solle.
US-Kongress will das Katastrophenmanagement untersuchen lassen
US-Kongressmitglieder beider Parteien kritisierten die Reaktion der Bundesbehörden auf die Katastrophe und kündigten eine Untersuchung der Ursachen an. Die Ermittlungen sollten in der nächsten Woche beginnen, sagten Susan Collins (Republikaner) und Joseph Lieberman am Freitag (Ortszeit) in Washington. Schwarze Kongressabgeordnete warfen der Regierung vor, sie habe zu langsam und unzureichend auf die Katastrophe reagiert.
"Der Präsident hat es letztendlich bis zur Küste des Golfs geschafft - nach fünf Tagen", sagte die bislang nicht als Bush- Kritikerin aufgefallene Moderatorin Daryn Kagan vom Nachrichtensender CNN. Viel habe ausgesehen wie eine politische Gelegenheit für die Kameras und die republikanischen Gouverneure, fügte sie hinzu.
Fluggesellschaften wollen Luftbrücke bilden
Angesichts massiver Kritik und wütender Proteste sagte Bush am Samstag, dass viele der Betroffenen seien verärgert und warteten verzweifelt auf Hilfe. In Amerika werde kein Mitbürger im Stich gelassen. Bürokraten dürften bei der Rettung von Menschen nicht im Wege stehen. Zuvor hatte Bürgermeister Nagin seinem Ärger Luft gemacht und die Regierung aufgefordert, "den Hintern zu bewegen".
Die US-Fluggesellschaften kündigten an, in einer Luftbrücke rund 25 000 Menschen vom internationalen Flughafen in New Orleans auszufliegen. Zuvor waren die Unternehmen in die Kritik geraten, weil sie einen Tag vor dem Hurrikan den Flugverkehr nach New Orleans eingestellt und Tausende von Touristen in der Stadt sitzen gelassen hatten.
Zahl der Toten noch ungewiss
Völlige Ungewissheit herrscht über die Zahl der Toten. Der Gouverneur von Mississippi, Haley Barbour, sprach von mindestens 147 Opfern in seinem Staat, doch liege die Gesamtzahl wahrscheinlich viel höher. Nagin hatte in den vergangenen Tagen die Befürchtung geäußert, in New Orleans könnten mehr als tausend Menschen dem Hurrikan zum Opfer gefallen sein.
In Houston (Texas) waren bis Freitagabend 25 000 völlig erschöpfte Flüchtlinge mit Bussen eingetroffen. Insgesamt habe der Nachbarstaat 154 000 Flutopfer aus New Orleans und Umgebung aufgenommen, berichtete CNN unter Berufung auf texanische Behörden. Texas will weiteren 50 000 Menschen Zuflucht bieten. Nach Angaben des US- amerikanischen Roten Kreuzes sind bislang 94 000 Menschen aus den Krisengebieten in Notunterkünften untergebracht worden.
Bush will 7000 weitere Soldaten entsenden
Bush kündigte am Samstag die Entsendung von weiteren 7000 Soldaten an. Sie sollen nach Tagen von Chaos und Gewalt die 21 000 Nationalgardisten bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in der Krisenregion unterstützen. In den Tagen zuvor hatten sich selbst viele Polizisten nachts nicht mehr auf die Straßen getraut.
Das US-Militär setzte sich gegen Kritik an unzureichender Hilfe zur Wehr. General Russel Honoré erklärte, es sei sehr schwierig, Wasser und Lebensmittel zu den Eingeschlossenen zu bringen. "Wenn es einfach gewesen wäre, hätten wir es längst gemacht. Aber wenn 20 000 Leute zum Essen kommen, können Sie sich vorstellen, wovon ich spreche", sagt er nach Angaben von CNN.
Außenministerin Condoleezza Rice dankte der Europäischen Union und anderen Ländern für deren Hilfsangebote. Deutschland schickt einen Trupp des Technischen Hilfswerks (THW) in die Krisenregion. Das Team soll die Lage sondieren, damit die Hilfe unverzüglich anlaufen kann. Das Deutsche Rote Kreuz wird wahrscheinlich in der nächsten Woche Logistikexperten in das Gebiet entsenden.
Derweil zeichnet sich langsam das Ausmaß der Naturkatastrophe ab. Mindestens 350 000 Häuser sind nach Angaben der Behörden zerstört worden. Rund eine Million Menschen haben ihr Zuhause verloren. Nach Angaben der Armee wird es fast drei Monate dauern, das Wasser aus der Stadt zu pumpen. Die Gesamtschäden werden auf bis zu 100 Milliarden Dollar (80 Milliarden Euro) geschätzt.
DPA