Ihren Ursprung hatte die gewaltige Flutwelle gut 1.600 Kilometer weiter östlich - dort erschütterte ein Beben der Stärke 8,9 den Meeresgrund vor Sumatra. Die davon ausgelöste Flutwelle, in Asien als Tsunami schon seit Jahrhunderten gefürchtet, war aber an den Küsten von Sri Lanka und Südindien am größten.
In Muttur, im Nordosten von Sri Lanka, waren die Wellen bis zu sechs Meter hoch. Und niemand war darauf vorbereitet. "Ich sah die Leichen von Kindern, die in Stacheldraht verheddert waren", berichtete der AP-Fotograf Gemunu Amarasinghe aus einer Gegend südlich von Colombo, der Hauptstadt von Sri Lanka. "An der Straße standen lange Reihen von Frauen und Männern, die jeden fragten, ob ihre Familienmitglieder gesehen worden seien." Einige Bewohner seien noch zum Strand geeilt, um an die Küste geworfene Fische einzusammeln. Dabei seien sie dann von der Flutwelle ins Meer gerissen worden.
Hilflos auf hoher See
Zahllose Fischer wurden auf hoher See von der Katastrophe überrascht. "Es war schockierend, mitansehen zu müssen, wie die Fischerboote auf den Schultern der Wellen hin und her geworfen wurden, als ob sie aus Papier wären", sagte P. Ramanamurthy aus der indischen Stadt Kakinada, der die Gewalten der Natur aus sicherer Entfernung beobachtete. "Viele Boote überschlugen sich, aber die Fischer klammerten sich noch an sie. Dann wurden sie ins Meer geworfen. Ich habe mir nie vorgestellt, dass so etwas geschehen könnte."
An vielen Stränden zog sich die Flut so schnell wieder zurück, wie sie gekommen war. In anderen Küstenregionen stiegen die Wassermassen aber weiter an. So wurden die Hütten von 2.500 Fischern in den tiefer gelegenen Stadtteilen von Madras, den Chennai, überflutet. Im Bezirk Nellore brachte die Gewalt der Wellen einen Leuchtturm zum Einsturz.
Die Behörden riefen die Fischer auf, mindestens zwei Tage nicht auf See zu gehen. "Es gibt keine Garantie, dass die Flutwellen nicht von neuem auftauchen", sagte K. Kaushalya vom Nationalen Geophysikalischen Labor im Hyderabad, der Hauptstadt des indischen Unionsstaates Andhra Pradesh.
An der Küste von Andhra Pradesh kamen 32 Menschen ums Leben, die zu einem rituellen Hindu-Bad ins Meer gestiegen waren. Unter ihnen waren auch 15 Kinder. Die Strände im benachbarten Tamil Nadu glichen am Sonntag einer riesigen Leichenhalle unter freiem Himmel - das Meer hat seine Opfer dem Land zurückgegeben.
Dilip Ganguly/AP