Paris gedenkt der Opfer der Anschäge mit einer Trauerzeremonie. Doch wer waren die Attentäter von Paris und wo lebten sie? Im Vorfeld sprach stern-Reporter Philipp Weber mit dem Nachbarn von Samy Amimour, einem der Attentäter.
stern-Reporter in den Banlieues von Paris Mein Nachbar, der Terrorist

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Frankreich im Ausnahmezustand: Am 13. November verüben Terroristen in Paris an sechs Orten gleichzeitig Anschläge. 132 Menschen verlieren ihr Leben.Noch in der gleichen Nacht breche ich auf, um mir selbst ein Bild vor Ort zu machen. Ich lande in einer Stadt, die wie gelähmt wirkt. Eine bedrückende Ruhe herrscht in den Orten. Trauernde und fragende Gesichter. Die Menschen haben Angst und versuchen zu verstehen, was hier in der vergangenen Nacht passiert ist.
PHILIPP WEBER: „Wer waren die Attentäter, die am Freitagabend einen der schlimmsten Terroranschläge der Geschichte Frankreichs verübt haben. Einer, das weiß man schon, hat in Drancy gelebt.“
Samy Amimour sprengte sich im Konzerthaus Bataclan in die Luft. Er soll aus dem Viertel im Norden von Paris kommen. Ich fahre mit dem Zug zum Gare de Drancy. Der Vorort gehört zu den Banlieues, der Bannmeile von Paris. Ein trostloses Niemandsland aus Plattenbauten. Seit langem ist es ein Sorgenkind der französischen Metropole. In den 60er Jahren wurden hier ausländische Arbeiter massenweise untergebracht. Dann verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage, die Viertel verarmten immer mehr. Ich finde das Haus, in dem Amimour gewohnt hat. Dort begegne ich einem Nachbarn. Er ist Mitte 20 und kannte den Terroristen. Flüchtig, wie er sagt. Vor die Kamera will er nicht. Aber er erzählt uns, vom Leben in seinem Viertel.
PHILIPP WEBER: „Glaubst du, es hat etwas mit dem Problemviertel zu tun, dass sich die Leute radikalisieren?“
ANWOHNER: „Nein. Das ist nicht so ein Vorort. Ich bete. Ich gehe zur Moschee. Ich bin ein praktizierender Muslim. Das weiß jeder in diesem Gebäude. Ich bin kein Terrorist. Und ich bin gegen diese Leute. Ich rede nicht mal mit ihnen. Das sind nicht meine Freunde, und ich betrachte die nicht mal als Muslime. Es ist wirklich schlimm, derartige Dinge zu tun. Und es gibt hier auch gute Ecken. Hier im Viertel gibt es Menschen, die versuchen, die jungen Leute voranzubringen. Es gibt hier nicht nur Schlechtes. Es gibt hier auch ein Verein wie „Agir Ensemble“, die es auch in Drancy gibt, die Gutes tun. Die versuchen, den Jugendlichen zu helfen mit der Benotung. Damit sie in der Schule weiterkommen, damit sie gute Menschen werden. Es gibt nicht nur Schlechtes.“
Mein Tag in Drancy wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. In Teilen des Viertels gibt es beschauliche, sogar gemütliche Ecken. Hier scheint das milliardenschwere Programm, das der Staat nach den Unruhen von 2005 und 2007 in die Renovierung der Viertel gesteckt hat, zu greifen. Aber ich begegne auch der anderen Seite: In der Nähe dieses Wohnblocks treffen mein Kameramann und ich auf eine Gruppe von Männern, die uns anfeinden und fortjagen, weil wir von der Presse sind. Wir verlassen das Viertel. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass sich einer der Drahtzieher der Anschläge noch immer in Paris nur wenige Kilometer entfernt im Ort Saint Denis aufhält.
PHILIPP WEBER „Hier hat es um 4.20 Uhr, wie mir eine Anwohnerin bestätigte, eine Razzia gegeben. Laute Schüsse hat sie gehört. Ich gehe hier einmal nach oben, dass man einen bisschen besseren Überblick hat. Ich zeige Ihnen einfach die Situation, wie es gerade hier ist, sehr angespannt. Die Polizei hat alles abgeriegelt. Man kommt nicht ganz so nah ran. Aber hier definitiv in der Straße hat diese Razzia stattgefunden.“
Erst in den kommenden Stunden wird bekannt: In dem Haus hatte ein Sondereinsatzkommando am Morgen den Drahtzieher der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, gestellt. Beim Zugriff wird er getötet. Während des Einsatzes in Saint Denis sperrt die Polizei das Gebiet weiträumig ab. Die Situation ist angespannt, niemand weiß, ob sich weitere Terroristen hier aufhalten. Während die Beamten das Viertel belagern, schaue ich mich um. Wie reagieren die Menschen auf das Polizeiaufgebot?
ANWOHNER: „Ich finde es gut, dass hier viel Polizei ist. Das ist gut für die Sicherheit für uns allen.“
ANWOHNER „Ich bin sehr früh aufgestanden. Ich habe mir das direkt angeschaut. Es waren wie Polizisten da, Leute, viele Sirenen. Die Stimmung war etwas panisch. Viele fragten sich, was das soll da im Hinterhof. Und danach verstand man, dass es die Terroristen waren, die von der Polizei gesucht wurden.
ANWOHNER: „Nein, ich glaube, dass es kein Problem des Vororts ist. Das ist ein Problem mit den Gangstern hier, das es zu bekämpfen gilt. Es braucht Regeln und Gesetze.“
Das Leben geht trotz der Belagerung hier weiter, wenn auch anders für den großen Teil der muslimischen Bevölkerung in dieser Gegend.
ANWOHNER: „Es gibt ungefähr 5-6 Millionen Muslime in Frankreich. Natürlich bleiben einige Probleme, die wir haben, Minderheitenprobleme. Weil die Mehrheit der Muslime ist gutmütig. Sie arbeiten, sie sind bescheiden. Deswegen sind es wirklich nur wenige, die Probleme machen. Aber die sind wirklich eine Minderheit.“
Natürlich spreche ich auch mit muslimischen Menschen in dem Viertel. Auf die Frage, warum einige der Attentäter von Charlie Hebdo und von diesem Anschlag aus den Banlieues stammen, vermuten sie, dass es mit der Armut in diesen Vierteln und nicht mit der Religion zu tun habe.Doch kein einziger von ihnen möchte vor die Kamera. Einer der eine Gebetsmütze trägt, erzählt mir, dass sein Imam einmal ein Interview gegeben habe. Die Zeitung hätte seine Worte verdreht und ihn als Radikalen dargestellt. Doch das Gegenteil sei der Fall. Das Paris, das ich bei meiner Abreise verlasse, ist es ein anderes Paris als ich bislang kannte. Es ist ein Paris der Trauer, aber auch ein Paris das näher zusammenrückt.
PHILIPP WEBER: „Wer waren die Attentäter, die am Freitagabend einen der schlimmsten Terroranschläge der Geschichte Frankreichs verübt haben. Einer, das weiß man schon, hat in Drancy gelebt.“
Samy Amimour sprengte sich im Konzerthaus Bataclan in die Luft. Er soll aus dem Viertel im Norden von Paris kommen. Ich fahre mit dem Zug zum Gare de Drancy. Der Vorort gehört zu den Banlieues, der Bannmeile von Paris. Ein trostloses Niemandsland aus Plattenbauten. Seit langem ist es ein Sorgenkind der französischen Metropole. In den 60er Jahren wurden hier ausländische Arbeiter massenweise untergebracht. Dann verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage, die Viertel verarmten immer mehr. Ich finde das Haus, in dem Amimour gewohnt hat. Dort begegne ich einem Nachbarn. Er ist Mitte 20 und kannte den Terroristen. Flüchtig, wie er sagt. Vor die Kamera will er nicht. Aber er erzählt uns, vom Leben in seinem Viertel.
PHILIPP WEBER: „Glaubst du, es hat etwas mit dem Problemviertel zu tun, dass sich die Leute radikalisieren?“
ANWOHNER: „Nein. Das ist nicht so ein Vorort. Ich bete. Ich gehe zur Moschee. Ich bin ein praktizierender Muslim. Das weiß jeder in diesem Gebäude. Ich bin kein Terrorist. Und ich bin gegen diese Leute. Ich rede nicht mal mit ihnen. Das sind nicht meine Freunde, und ich betrachte die nicht mal als Muslime. Es ist wirklich schlimm, derartige Dinge zu tun. Und es gibt hier auch gute Ecken. Hier im Viertel gibt es Menschen, die versuchen, die jungen Leute voranzubringen. Es gibt hier nicht nur Schlechtes. Es gibt hier auch ein Verein wie „Agir Ensemble“, die es auch in Drancy gibt, die Gutes tun. Die versuchen, den Jugendlichen zu helfen mit der Benotung. Damit sie in der Schule weiterkommen, damit sie gute Menschen werden. Es gibt nicht nur Schlechtes.“
Mein Tag in Drancy wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. In Teilen des Viertels gibt es beschauliche, sogar gemütliche Ecken. Hier scheint das milliardenschwere Programm, das der Staat nach den Unruhen von 2005 und 2007 in die Renovierung der Viertel gesteckt hat, zu greifen. Aber ich begegne auch der anderen Seite: In der Nähe dieses Wohnblocks treffen mein Kameramann und ich auf eine Gruppe von Männern, die uns anfeinden und fortjagen, weil wir von der Presse sind. Wir verlassen das Viertel. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass sich einer der Drahtzieher der Anschläge noch immer in Paris nur wenige Kilometer entfernt im Ort Saint Denis aufhält.
PHILIPP WEBER „Hier hat es um 4.20 Uhr, wie mir eine Anwohnerin bestätigte, eine Razzia gegeben. Laute Schüsse hat sie gehört. Ich gehe hier einmal nach oben, dass man einen bisschen besseren Überblick hat. Ich zeige Ihnen einfach die Situation, wie es gerade hier ist, sehr angespannt. Die Polizei hat alles abgeriegelt. Man kommt nicht ganz so nah ran. Aber hier definitiv in der Straße hat diese Razzia stattgefunden.“
Erst in den kommenden Stunden wird bekannt: In dem Haus hatte ein Sondereinsatzkommando am Morgen den Drahtzieher der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, gestellt. Beim Zugriff wird er getötet. Während des Einsatzes in Saint Denis sperrt die Polizei das Gebiet weiträumig ab. Die Situation ist angespannt, niemand weiß, ob sich weitere Terroristen hier aufhalten. Während die Beamten das Viertel belagern, schaue ich mich um. Wie reagieren die Menschen auf das Polizeiaufgebot?
ANWOHNER: „Ich finde es gut, dass hier viel Polizei ist. Das ist gut für die Sicherheit für uns allen.“
ANWOHNER „Ich bin sehr früh aufgestanden. Ich habe mir das direkt angeschaut. Es waren wie Polizisten da, Leute, viele Sirenen. Die Stimmung war etwas panisch. Viele fragten sich, was das soll da im Hinterhof. Und danach verstand man, dass es die Terroristen waren, die von der Polizei gesucht wurden.
ANWOHNER: „Nein, ich glaube, dass es kein Problem des Vororts ist. Das ist ein Problem mit den Gangstern hier, das es zu bekämpfen gilt. Es braucht Regeln und Gesetze.“
Das Leben geht trotz der Belagerung hier weiter, wenn auch anders für den großen Teil der muslimischen Bevölkerung in dieser Gegend.
ANWOHNER: „Es gibt ungefähr 5-6 Millionen Muslime in Frankreich. Natürlich bleiben einige Probleme, die wir haben, Minderheitenprobleme. Weil die Mehrheit der Muslime ist gutmütig. Sie arbeiten, sie sind bescheiden. Deswegen sind es wirklich nur wenige, die Probleme machen. Aber die sind wirklich eine Minderheit.“
Natürlich spreche ich auch mit muslimischen Menschen in dem Viertel. Auf die Frage, warum einige der Attentäter von Charlie Hebdo und von diesem Anschlag aus den Banlieues stammen, vermuten sie, dass es mit der Armut in diesen Vierteln und nicht mit der Religion zu tun habe.Doch kein einziger von ihnen möchte vor die Kamera. Einer der eine Gebetsmütze trägt, erzählt mir, dass sein Imam einmal ein Interview gegeben habe. Die Zeitung hätte seine Worte verdreht und ihn als Radikalen dargestellt. Doch das Gegenteil sei der Fall. Das Paris, das ich bei meiner Abreise verlasse, ist es ein anderes Paris als ich bislang kannte. Es ist ein Paris der Trauer, aber auch ein Paris das näher zusammenrückt.