Überschwemmung in Südrussland Flutopfer werfen Behörden Versagen vor

Meterhohe Flutwellen reißen in der russischen Urlaubsregion Krasnodar mindestens 150 Menschen in den Tod. Viele von ihnen werden von dem Hochwasser im Schlaf überrascht. Die Behörden stehen in der Kritik.

So schlimme Überschwemmungen hat er noch nicht erlebt. 83 Jahre alt ist Michail Bogomasow, doch die Springflut, die in der Nacht zum Samstag Teile der südrussischen Region Krasnodar unter Wasser setzte und mindestens 150 Menschen das Leben kostete, übertrifft alles bisher Erlebte. "2004 gab es Überschwemmungen, aber es war kein Wasser in meinem Wohnzimmer", sagt Bogomasow. Das war diesmal anders: Der Rentner aus Krimsk musste sich auf übereinandergestapelte Tische retten, während das Wasser in seinem Haus höher und höher stieg.

"Es hat den ganzen Tag vorher geregnet und wurde am Abend stärker", berichtet Bogomasow, der in einem zur Notunterkunft umfunktionierten Kindergarten in Krimsk unterkam, am Sonntag. "Es gab keinen Alarm und niemand gab eine Warnung aus, weil sie es selbst nicht wussten. Ich glaube, der Wetterdienst hat schlecht gearbeitet." Verzweiflung und Wut über die Behörden herrscht unter den Bürgern, die am Sonntag durch die noch überschwemmten Straßen von Krimsk waten und versuchen, ihr Hab und Gut aus ihren zerstörten Häusern zu retten. In der gleißenden Sonne liegen Gegenstände zum Trocknen aus.

Behörden weisen Kritik zurück

Viele Betroffene berichten, sie seien zwischen zwei und vier Uhr morgens im Schlaf von den Wassermassen überrascht worden. "Es gab keine Warnung über Sirenen oder Lautsprecher", schreibt eine Frau aus Moskau, die Verwandte in Krimsk hat, über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Alle haben geschlafen." "Das ist eine Lüge", weist ein Verantwortlicher in Krimsk, Wladimir Ulanowsky, die Kritik aus der Bevölkerung zurück. "Wir sind durch die Stadt gefahren und haben an Tore und Fenster geklopft", sagt er im Fernsehen. "Ich war vor Ort, ich habe die ganze Zeit Menschen gerettet."

Dass Überschwemmungen, die am Schwarzen Meer keine Seltenheit sind, ein so katastrophales Ausmaß annehmen konnten, führen viele Bürger auf menschliches Versagen zurück. Ein massenhaftes Ablassen von Wasser aus einem Stausee habe die Springflut ausgelöst, heißt es. Die Behörden hingegen verweisen auf den Dauerregen in der Region und erklären, die Sperren am Stausee Neberschdajewskoje, der die Stadt Noworossijsk mit Trinkwasser versorgt, seien nur zum Ablassen geringer Wassermengen geöffnet worden.

"Es regnet hier ständig, aber so etwas hat es noch nie gegeben", sagt Irina Morgunowa, die nach Krimsk gekommen ist, weil das Haus ihrer Verwandten bei der Katastrophe zerstört wurde. "Eine sieben Meter hohe Welle hat alles zerstört", sagt sie. Vom Haus seien nur noch die Mauern übrig. Morgunowa ist fest davon überzeugt, dass nicht der Regen die Flut ausgelöst hat. "Aber das wird niemals jemand laut sagen." Auch nach dem Unglück fühlten sich die Menschen allein gelassen: "Wir kämpfen uns da selbst durch", sagt sie. "Es gibt keine Hilfe."

Wasser steigt sieben Meter hoch

Spuren an den Häuserwänden zeigen, dass die Fluten in der Stadt bis zu sieben Meter hoch gestiegen waren. Die Rentnerin Lidija Polinina berichtet, sie und ihre Familie seien durch ein Fenster geflohen: "Unser Haus war bis zur Zimmerdecke überflutet, wir konnten die Tür wegen des Wassers nicht öffnen. Also haben wir das Fenster zerschlagen, um rauszuklettern." Sie habe ihren fünfjährigen Enkel aufs Dach ihres Autos gehievt, und dann seien sie in die Dachkammer geklettert. "Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben zu überleben."

Auch Rentner Bogomasow hatte Glück und wurde rechtzeitig gerettet - wie seine Nachbarin, der das Wasser nach seiner Schilderung bis zur Kehle stand. "Fünf Minuten später wäre sie tot gewesen." Während seine Tochter und seine Enkelin sein Haus aufräumen, in dem das Wasser noch immer 30 Zentimeter hoch stand, hofft er in dem Kindergarten auf eine Rückkehr in die eigenen vier Wände. "Es gibt viel zu tun", sagt er. "Es müssen große Reparaturen gemacht werden." Im Gegensatz zu anderen Bürgern in Krimsk, die von fehlendem Trinkwasser berichten, fühlt sich Bogomasow immerhin gut versorgt: Die Bedingungen in der Notunterkunft seien "hervorragend".

AFP
Mikhail Mordassov/AFP

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