Überschwemmungen in Australien "Wir Anwohner fürchten uns"

Mit den Fluten kommen die Schlangen und die Plünderer: Im überschwemmten Ort Rockhampton spitzt sich die Lage zu - Bewohner halten die Welt via Facebook auf dem Laufenden.

Australier sind Ungeziefer gewohnt - die dortigen Spinnen, Skorpione und Kröten zählen zu den giftigsten Tieren der Welt. Doch was sich jetzt im Nordosten des Kontinents abspielt, macht selbst hartgesottene Bewohner nervös. "Ich bin hochschwanger - soll ich jetzt zwischen Krokodilen und Schlangen schwimmen, um zu gucken, wie es um mein Haus steht?", schreibt Krystle Casey empört in der Facebook-Gruppe "Rockhampton And CQ Floods 2010".

Die 32-Jährige Kylie Alexander lebt mit Mann und Tochter auf einer Viehstation im australischen Outback, Schlangen gehören hier zum Alltag. Doch eine derart massive Invasion der Reptilien überrascht auch sie. "Sie sind einfach überall", sagt sie der australischen Zeitung "Courier Mail", nachdem sie von einer giftigen Braunschlange gebissen worden war.

200.000 Menschen in 22 Städten betroffen

Ein Gebiet so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen ist Down Under derzeit überschwemmt - mehr als 200.000 Menschen in 22 Städten sind vom schlimmsten Hochwasser seit 50 Jahren betroffen. Mindestens drei Todesopfer sind bislang bekannt, zehn sind es seit Beginn der Regenzeit Ende November. Und immer mehr Bewohner des betroffenen Bundesstaates Queensland müssen ihre Häuser und Wohnungen verlassen.

Im Ort Rockhampton, wo das Wasser besonders hoch steht, sind bereits 1000 Einwohner obdachlos geworden. Und nun warnen die Behörden auch noch vor Krokodilen und Schlangen, die über die hochsteigenden Abwässer durch die Straßen gespült werden. "Die Schlangen sind im Moment sehr nervös", sagt der Nothilfekoordinator Scott Mahaffey, denn für die Reptilien sei jetzt Paarungszeit, was die aus ihrer gewohnten Umwelt gerissenen Tiere besonders gefährlich mache.

"Es ist gerade schlimm hier"

Gefahr geht nicht nur von wilden Tieren und Naturgewalten aus, auch Kriminelle verbreiten Angst und Schrecken. "Es ist gerade schlimm hier. Wir Anwohner fürchten uns vor Plünderern", schreibt Alistair Clarke, ebenfalls auf Facebook. Lyn Pearce wohnt im Osten von Rockhampton. Der Tageszeitung "Sydney Morning Herald" erzählt sie, dass die Räuber schon da seien: "Bei den Überschwemmungen von 1991 wurden wir massiv ausgeraubt", so die 45-Jährige. Obwohl die örtliche Polizei bereits verstärkt in den Unglücksgebieten patrouillieren will, will Eric Dare, seit 30 Jahren in Rockhampton ansässig, selbst für Sicherheit sorgen: "Ich bin hier jede Nacht der Wachmann", sagte er der Zeitung.

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Das Angebot für Notunterkünfte hält sich in Grenzen

Die betroffenen Gebiete sind weitgehend von der Außenwelt abgeschnittenen, in vielen Orten wurde nun auch der Strom abgestellt, nur noch wenige Straßen sind passierbar. Um die zahllosen Flüchtlinge und Eingeschlossenen zumindest halbwegs zu versorgen, hat die australische Armee damit begonnen, mit Hubschraubern Nahrung und Medikamente in die überschwemmten Regionen zu bringen. Weil viele Bewohner nach den Weihnachts- und Neujahrsreisen irgendwo in den Weiten des Landes gestrandet sind, werden händeringend Unterkünfte für die Ausgesperrten gesucht. Via Facebook etwa werden Aufrufe wie diese gestartet: "Hat jemand in Gladstone (eine Insel vor der Küste von Queensland, d. Red.) noch unbenutzte Zimmer oder Unterkünfte mit Schlafgelegenheit und Toilettenzugang?" Die Angebote halten sich in Grenzen. Gerade einmal ein Inselbewohner bietet sein kleines Haus an.

Andere nehmen die Fluten auf typisch australische Art: entspannt. Im Fitzroy-Hotel von Rockhampton schwappt das Wasser zwar bis an die äußeren Treppenstufen, doch Hotelbesitzer Tony Higgins lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er hat Vorräte eingelagert, und das Bier wird noch eine Weile reichen. "In großen Städten zahlen die Leute Riesensummen für eine Lage direkt am Wasser", sagt er. Sein Hotel liegt zwei Parallelstraßen vom Fluss Fitzroy entfernt, das Hotel ist mittlerweile eine Anlaufstelle für Überschwemmungsopfer. "Wir sind eine sehr stoische Gemeinschaft, jeder hilft jedem", sagt Higgins.

Bislang eine Milliarde Dollar Verlust

Andere Bereiche der örtlichen Wirtschaft leiden deutlich mehr unter den Fluten, allen voran die Kohleförderer. Australien ist der größte Kohleexporteur der Welt, doch zurzeit steht in den Gruben das Wasser. An Abbau sei nicht zu denken, erst müssten die Stollen trockengelegt und die Maschinen repariert werden, sagt Michael Roche vom zuständigen Industrieverband. "Die Bergwerke verlieren allein an Exporten 100 Millionen australische Doller pro Tag", so Roche, bislang seien bereits Verluste von einer Milliarde Dollar aufgelaufen, umgerechnet 760 Millionen Euro. Ähnlich hoch ist der Schaden in der Landwirtschaft: Zwar habe der Großteil der Ananasernte gerettet werden können, doch bei Weizen, Zucker und Baumwolle sehe es schlecht aus, sagt Brent Finlay vom Bauernverband. "Wegen des Hochwassers taugt das Getreide wohl nur noch für Viehfutter."

In einigen Überschwemmungsgebieten ist das Wasser bereits wieder auf dem Rückzug, in Emerald etwa, westlich von Rockhampton, haben die Bewohner damit begonnen, den Ort wieder aufzuräumen. In Rockhampton aber wird der Scheitelpunkt der Flut für Mittwoch erwartet, die Lage wird sich frühestens in einer Woche wieder normalisieren - wenn das Wetter mitspielt. Doch die Behörden haben schon die nächsten Regenfälle angekündigt - Sturm, Gewitter und Hagel inklusive.

mit Agenturen

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