Der Countdown stoppte genau 40 Minuten vor dem geplanten Start. Nach Angaben der Nasa machte eine Fehlfunktion an einem Triebwerk es unmöglich, die neue, gewaltige "Space-Launch-System"-Rakete und die amerikanisch-europäische "Orion'"-Raumkapsel, mit der künftig Astronauten zum Mond fliegen sollen, ins All zu hieven. "Wir starten nicht, bevor alles stimmt", sagte Nasa-Chef Bill Nelson kurz darauf. "Dies ist ein sehr kompliziertes System und alle Dinge müssen stimmen." Außerdem würde ein Verlust von Rakete und Raumkapsel das ambitionierte "Artemis"-Programm, das nicht weniger als eine ständige Präsenz des Menschen auf dem Mond zum Ziel hat, empfindlich verzögern.
Ein nächster Startversuch soll nun am kommenden Freitag, 2. September, unternommen werden. Aber wieso erst dann? Warum versucht die Nasa nicht täglich den unbemannten Testflug zu starten, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren?
"Artemis": Ursache noch nicht gefunden
Der wichtigste Grund ist ganz einfach: Die Nasa-Ingenieure haben den Grund für den Treibwerksdefekt und die daraus resultierende Fehlfunktion bisher nicht gefunden. An diesem Dienstag kommt laut Nasa ein Team von Ingenieuren erneut zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten, in der Nacht zum Mittwoch (MESZ) soll es eine Pressekonferenz zum Stand der Dinge geben. Es werde Zeit benötigt, um alle Daten zu analysieren, die während der Startvorbereitung erhoben wurden. Es sei rasch gelungen Software-Probleme und ein Leck während des Betankens mit Wasserstoff zu beseitigen, warum aber eines der Triebwerke nicht auf die erforderliche Betriebstemperatur gebracht werden kann, sei weiter offen, so Missionsleiter Mike Sarafin.
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Startfenster: Man kann nicht starten, wann man will
Sarafin sagte aber auch: "Freitag ist absolut möglich." Damit spielte er auf das nächste Startfenster für "Artemis" am kommenden Freitag an. Dann ergibt sich eine neue Möglichkeit von 18.48 Uhr (MESZ) an für knapp zwei Stunden. Sollte es dann erneut nicht klappen, kann man es am Montag, 5.September, dann ab 23.12 Uhr hiesiger Zeit, wieder versuchen. Beide mögliche Startperioden sind den Angaben zufolge kürzer als das Fenster vom Montag; am 5. September sogar um eine halbe Stunde.
Die sogenannten Startfenster für Raumfahrtmissionen ergeben sich aus dem Startplatz der Rakete, aus der Himmelsmechanik und den Zielen und dem Plan für die jeweilige Mission. Das Sonnensystem ist bekanntlich kein starres Gebilde; Planeten und Monde sind in Bewegung. Die Missionsplaner müssen angesichts immensen Energieverbrauchs die Raumflüge so konzipieren, dass so weit wie möglich Ressourcen geschont werden und die Flugzeit möglichst auf das für den Erfolg der jeweiligen Mission erforderliche Maß beschränkt wird. Erde und Mond sind sich relativ nahe, so dass sich für den unbemannten Testflug von "Artemis", der den Erdtrabanten umrunden und dann zurückkehren soll, alle drei bis vier Tage ein sinnvolles Startfenster öffnet.

Apollo-Missionen konnten nur einmal monatlich starten
Dabei spielt eine Rolle, dass auch die Mondbahn um die Erde elliptisch und zudem zur Äquatorebene der Erde geneigt ist. Bei den Apollo-Missionen waren noch andere Faktoren wichtig – vor allem Sonne, also Tag, am Landeplatz, der zudem in der Nähe des Mond-Äquators liegen sollte. Und die Sonne durfte nicht zu hoch am Mondhorizont stehen, als Neil Armstrong den menschlichen Fußabdruck im Mondstaub hinterließ. Das bedeutete, dass die Apolloflüge nur einmal im Monat Richtung Mond starten konnten; bei einem Startfenster von drei bis vier Stunden. Schon beim Mars kann das Verpassen eines Startfensters wegen der größeren Entfernung zur Erde und der elliptischen Umlaufbahn des Roten Planeten um die Sonne zu jahrelangen Verzögerungen führen, weil zwischenzeitlich der Aufwand für einen Flug viel zu hoch wäre.
Mit Material von DPA; "Artemis"-Programm bei der Nasa; "Artemis"-Programm bei der Esa; Launch Windows Apollo